Ist das Metaverse die Zukunft oder ein Hype? Patrik De Jong von Artificial Rome ist der Meinung, dass wir sehr vorsichtig und kritisch sein sollten! Es gab schon zwei Versuche eine Art Metaverse zu etablieren und die sind nach hohen Investitionen gescheitert. Auch dieses Mal sieht er Parallelen und Risiken. Doch es gibt Bestandteile und virtuelle Erlebnisse, die er sehrwohl als revolutionär und zukunftsfähig betrachtet.
In einem Webinar sprach Patrik De Jong, Gründer von Artificial Rome, über seine Einschätzung zum Metaverse-Hype. Dieser Artikel fasst seine wichtigsten Aussagen sowie weiterführende Infos zusammen.
Was ist das Problem am Metaverse?
Der aktuelle Hype um das Metaverse kündigt sich an wie Second Life im Jahr 2003 – oder There 1998. Viele Firmen investieren eine Menge Geld oder leisten sich aufwändige virtuelle Markenwelten. Zum Teil auch mit Erfolg. Beispielsweise soll die Modemarke Ralph Lauren mit virtuellen Fashion-Produkten ein Plus von 40% erwirtschaftet haben. Im Moment scheint die Idee in Teilen durchaus zu funktionieren. De Jong glaubt aber nicht daran, dass das Konzept eines (unabhängigen) Metaversums von Dauer sein wird.
Schon alleine, weil das grundlegende Konzept aus den 80/90er Jahren stammt. „Wir machen etwas für die Zukunft – mit den Ideen aus den 90ern?“, so De Jong.
Der zentrale Grund für seine Bedenken sind jedoch technische Details. Vor allem das Metaversum von Decentraland hält er für technisch veraltet. Das zeigt sich unter anderem in der für unsere Zeiten schlechten Grafik. Doch auch das Gerüst der Blockchain, auf dem u.a. die aktuell bekanntesten Plattformen Decentraland und The Sandbox basieren, ist nicht so unabhängig und dezentral in der breiten Masse umzusetzen. NutzerInnen ohne IT-Kenntnisse müssen auf Anbieter wie MetaMask zurückgreifen, um Zugang zu erhalten. So landen letztlich wieder alle Daten bei einigen wenigen Anbietern.
Nicht zuletzt hält er den jetztigen Erlebniswert von Decentraland, das er besonders kritisch betrachtet, für eher mager. Auch andere berichten, dass es leer und langweilig sein soll. Trotzdem wird der Wert der Plattform auf ca. 5 Milliarden geschätzt. Schon das sollte uns misstrauisch machen.
Viele blenden die technischen Details aus
Der Hype wird laut Patrik De Jong nach von Menschen befeuert, die er zum Typ „Der Futuristen“ zählt. Sie arbeiten in der Tech-Branche, sehen die Zukunft, können aber nicht programmieren! Sprich es fehlt ihnen an technischen Details und Sichtweisen, die in diesem Kontext aber natürlich von großer Bedeutung sind.
Tatsächlich braucht man sich nur in IT-Kreisen umzuschauen, um sehr kritische Einschätzungen zu Blockchain und NFTs zu lesen. Bemängelt werden vor allem die Sicherheit, die Nutzbarkeit, der hohe Energieverbrauch und ein Mangel an problemlösenden Anwendungen. Zusätzlich basieren NFTs auf einem Schneeballsystem und deuten derzeit mit rasant steigenden Preisen auf eine Blase hin.
Neben der Technik sollten wir auch andere Probleme, die im Kontext von Social Media bereits existieren und sich in einem Metaversum vermutlich noch zuspitzen würden, im Hinterkopf behalten. „Datenrechte, Datensicherheit, Datenverständnis, Radikalisierung, Desinformation, Plattformmacht, Plattformregulierung, Unzufriedenheit.“, zählt z.B. die New York Times auf. Risiken und Themen, die vielleicht nicht alle interessieren, uns mit den guten und schlechten Social Media Erfahrungen sowie dem vermeintlichen Purpose-Trend sensibilisieren sollten.
Wo ist denn dann die Revolution?
Allerdings gibt es Bestandteile, die auch Artificial Rome für revolutionär oder zukunftsfähig halten! Schließlich haben sich konzeptionell ähnliche Multiplayer Online Games wie Fortnite oder Minecraft mittlerweile fest etabliert. Fortnite verzeichnete zuletzt um die 78 Millionen SpielerInnen monatlich! Minecraft sogar um 112 Millionen. Es gibt also dem Konzept „Metaverse“ ähnliche Formate, die tatsächlich seit Jahren funktionieren. Minecraft wurde auch schon öfter für Events, Meetings oder andere Erlebnisformate genutzt.
Doch Artificial Rome sieht die eigentliche Revolution in einem anderen Bereich: in der immer realistischeren Grafik und in Projekten wie „The Storyteller“ von Nvidia. Letzters ist ein komplett gerenderter Film, mit nahezu realistischen Objekten, die man von allen Seiten betrachten und entdecken kann. In diesem Umfeld entwickeln sich spannende Formate, die Filme und Games miteinander verbinden. Die Spire Animation Studios sind ein weiteres Beispiel dafür. Gemeinsam mit Epic Games arbeiten sie an Filmerlebnissen in virtuellen Umgebungen.
Ein für unsere Branche ganz konkretes und spannendes Tool ist Journee. Das ist eine Art Event-Plattform in der eigene Games oder Livestreams möglich sind. Komplett virtuell und äußerst realitätsnah. Ein zentraler Vorteil ist laut De Jong, dass das Angebot über alle Endgeräte bequem und einfach nutzbar ist!
Im Kontext von Veranstaltungen glaubt er neben rein virtuellen Erlebniswelten auch an Hybride Räume. Damit meint er echte Räume und Locations, die mit der Außenwelt digital verbunden sind. Solche Visionen sowie ein Tool Set, das phygitale Erlebnisse ermöglicht, befinden sich bei Artificial Rome in der Entwicklung.
Fazit: Es geht nicht um das Metaverse, sondern um virtuelle Events!
Wenn ich Patrick De Jong richtig verstehe, glaubt er durchaus an virtuelle Erlebniswelten. Nur eben nicht an ein dezentrales und unabhängiges Metaversum.
Der zentrale Punkt: Er bezieht sich dabei auf den richtigen und von Neal Stephenson geprägten Begriff! Demnach ist das Metaverse ein dezentrales und unabhängiges Universum, in dem UserInnen Welten (mit)gestalten und dort frei „leben, lernen, arbeiten und feiern“ können. Eine einzelne, gestaltete, virtuelle Markenwelt ist kein Metaversum! Selbst umfangreiche Multiplayer Online Games sind es nicht, da sie „nur“ eine Welt und kein dezentrales und unabhängiges Universum sind.
Das Problem bei der aktuellen Diskussion ist, dass der Begriff nicht nur sehr inflationär, sondern auch inhaltlich im jeweiligen Interesse stark gedehnt wird. Dabei mutieren schon kleinste virtuelle Projekte oder sogar umfangreichere Websites zum „Metaverse“. Das ist natürlich Quatsch, verdeutlicht aber, wie Marketing-getrieben diese Debatte ist.
Kurzum, virtuelle Erlebniswelten haben definitiv eine Zukunft! Nur sollten wir uns dabei nicht langfristig auf eines der (tatsächlichen) Metaversen verlassen – sofern man solide Investitionen verfolgt und nicht nur kurzfristige Effekte mitnehmen möchte. Denn im schlechtesten Fall, der nicht unwahrscheinlich ist, sind sie in ein paar Jahren wieder verschwunden.
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