„The Power of introverts“, ein TED Talk und Buch von Susan Cain, die ich besonders Arbeitgebern und Personalverantwortlichen ans Herz legen möchte. Denn wir gehen häufig davon aus, dass extrovertierte, selbstbewusste, duchsetzungsfähige, kontaktfreudige und aktive Menschen, die sich selbst gut in Szene setzen können, die bessere Personalwahl sind. Aber ist das wirklich so?
So tolerant wir allem Außergewöhnlichem gegenüber sind, so seltsam und bedenklich empfinden wir ganz normale, vermeintlich langweilige Menschen, die ruhig und unauffällig sind, die sich und ihre Vorzüge nicht darstellen können oder wollen, die einen ruhigen Tag mit Buch einer Unternehmung mit anderen Menschen regelmäßig vorziehen oder kein Bedürfnis haben ständig aktiv zu sein. Das widerspricht dem Idealbild unserer Gesellschaft, das wir wie selbstverständlich über Facebook, Instagram & Co. zur Schau stellen zu versuchen. Ständig aktive und kontaktfreudige Menschen, die keine Scheu haben sich darzustellen, empfinden wir als anstrebenswerte Vorbilder, privat sowie beruflich. Alles andere ist irgendwie komisch, wie uns auch der Postillon kürzlich satirisch und schön verdeutlichte: „Spielverderberin spendet für ALS-Forschung, ohne sich mit Eiskübel zu begießen“ oder die Aktion lauthals zu kritisieren ;).
In der Arbeitswelt sieht es nicht viel anders aus. Diesen extrovertierten Menschentypus erwarten und bevorzugen wir auch dort. Wie oft hört und liest man zum Thema Karriere, man müsse selbst zur Marke werden?! Wie oft liest man in Stellenanzeigen, man müssen teamfähig, selbstbewusst, durchsetzungfähig und dynamisch sein?! Fast immer.
Wie oft dagegen, dass man Ruhe ins Team bringt, Aufgaben mit Bedacht auch mal alleine bearbeiten kann oder als Führungsperson Mitarbeitern die Freiheit geben kann, sich selbst zu entfalten anstatt nach eigenen Vorstellungen zu führen? Denn hierin liegt genau die Stärke von introvertierten Menschen unter anderem als Führungsperson, sagt Susan Cain in ihrem TED Talk. Sie stülpen Mitarbeitern weniger ihre eigenen Ideen und Vorstellungen über, sondern geben ihnen Freiheiten, Ruhe und lassen Ideen ans Tageslicht kommen, die ein extrovertierterer Mensch vielleicht überdecken würde. Sie können zudem besser zuhören, sich besser konzentrieren und analytischer Denken. Ohne Introvertierte hätte es weder Einsteins Relativitätstheorie, Chopins Klavierstücke oder die Filme von Steven Spielberg gegeben, so Susan Cain. Eine Stereotypen Studie soll zudem hervor gebracht haben, dass „Extrovertierte […] ihr Team weit weniger voran [gebracht haben] und ihre Beiträge […] weniger nachhaltig [waren] als erwartet.“, so heißt es in einem interessanten Artikel in der Zeit dazu.
Wer letztlich wo besser ist, kann man pauschal sicher nicht sagen. Es gibt bestimmt gute eher extrovertierte und introvertierte Chefs, keine Frage! Aber ich stimme Susan Cain absolut zu, wenn sie sagt, dass wir extrovertierte Charakterzüge nicht als Idealbild verstehen sollten, beruflich wie privat. Menschen nicht von Kindheit an das Mantra des „Ohne Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfähigkeit kommst Du nicht weit“ einbläuen. Kinder, die lieber zu Hause alleine ein Buch lesen, nicht sofort raus schicken, um mit anderen Kindern zu spielen. Mitarbeiter nicht als komisch empfinden, die sich gerne auch mal zurück ziehen und alleine sind. Und letztlich stille Menschen in ihren Fähigkeiten an sich als auch als Führungsperson nicht unter- oder falsch einschätzen sollten.
Denn vielleicht rührt auch ein anderes Arbeitgeber-Problem daher. Viele Arbeitgeber beschweren sich aktuell darüber, dass die junge Generation vor Selbstbewusstsein strotzt, aber wenn sie etwas leisten soll, schnell einknickt. Das mag viele Gründe haben und zudem auch daran liegen, dass die Erwartungen stetig steigen. Aber wenn das so empfunden wird, dann sollten wir genau diese Verhaltensweisen, nämlich möglichst extrovertierte, nicht auch noch bei der Personalvergabe gezielt suchen und die Problematik fördern! Es gibt definitiv Wichtigeres als selbstbewusstes Auftreten! Eventuell sind auch einige Menschen darunter, die eigentlich introvertierter sind, aber durch Erziehung, gesellschaftliche Sozialisierung sowie berufliche Erwartungen sich Verhaltenswesen angeeignet haben, die sie nicht lange durchhalten können. Mir scheint zumindest, dass auch noch in meiner Generation deutlich mehr ruhigere und stille Charaktere zu finden sind.
Das sind natürlich eigene Sichtweisen und Vermutungen, mit den ich angelehnt an Susan Cains Vortrag letztlich sagen möchte: Introvertierte sind weder komischere Menschen noch schlechtere Mitarbeiter! Sie bringen individuelle Vorteile ein, so wie Extrovertierte ihre einbringen. Wir sollten nur etwas ehrlicher zu uns selbst und anderen gegenüber toleranter sein. Wir bezeichnen uns gerne als „open-minded“ und sind es manchmal bei den einfachsten Sachen ganz und gar nicht. Gerade Arbeitgeber sollten in diesem Punkt auch anderen, wichtigen Kriterien Raum geben, die zur Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und Leistungsfähigkeit der eigenen Mitarbeiter beitragen können: und die sind nicht immer laut und auffällig, sondern auch ganz ruhig und leise!
Mehr zum Thema von Susan Cain in ihrem Buch „Still: Die Kraft der Introvertierten“.
TED Talk: „The Power of introverts“
Foto: Screenshot aus dem Video
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