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Event-Konzeption & der Nachwuchsmangel: junge Kreative haben Live-Kommunikation nicht auf dem Schirm

Von Katharina Stein 5.12.2013 ~7 Minuten Lesezeit

Es gibt nicht viele Weiterbildungsangebote, die dem Nachwuchs gezielt und qualifiziert die kreative Event-Konzeption Nahe bringen. treibhaus 0.8 ist eines davon, wenn nicht das einzige. 2008 wurde das Berufseinstiegsprogramm für Hochschulabsolventen von Annette Beyer in Zusammenarbeit mit deutschen Event-Agenturen gegründet und erfreut sich seither größter Beliebtheit, zumindest innerhalb der Live-Kommunikation. Die Bekanntheit und Wahrnehmung außerhalb der Eventbranche ist dagegen ein Problem – sowohl für treibhaus 0.8 als auch für die gesamte Eventbranche!

 

Interview: Annette Beyer, Leiterin treibhaus 0.8, über den fehlenden Kreativ-Nachwuchs, die Ausbildungssituation und was in der Live-Kommunikation noch passieren muss!

» Interview-Reihe aus dem Buch „Alles nur Theater“
Das Interview führte Wolf Rübner, Mitautor des Buches „Alles nur Theater“.

Wolf Rübner: Frau Beyer, was hat Sie ins Treibhaus gebracht?

Annette Beyer: Es gab zwei Beweggründe. Ich habe mit vielen führenden Agenturen in Deutschland als freie Konzeptionerin zusammengearbeitet. In fast jeder Agentur waren meine „jungen“ Kollegen um die Vierzig. Darunter kam lange gar nichts. Diesen Nachwuchsmangel in der Konzeption habe ich also quasi empirisch ermittelt. Mit der Idee, talentierte Hochschulabsolventen gezielt zu Konzeptionern auszubilden, rannte ich dann bei den Agenturen offene Türen ein.

Die haben realisiert, dass sie für junge Marken schnellstens junge Kreative brauchten – Digital Natives, die das Web 2.0 schon im Blut hatten.

Den letzten Anstoß gab ein Erlebnis im Berliner Tempodrom. Ich war bei der Award Show des ADC (Art Director‘s Club für Deutschland e.V.). Das ist die Oscar-Verleihung der deutschen Werber. Die Kategorie „Events“ war ganz frisch dabei. Als Redakteurin der Fachzeitschrift Event Partner wollte ich darüber berichten. Jede klassische Agentur hatte einen lautstarken Fanclub aus Praktikanten und Junioren dabei. Die jubelten wild bei jedem Preis, nur bei uns herrschte eisiges Schweigen. Der Grund war schnell erkannt: Unsere Event-Agenturen hatten keinen Fanclub, weil wir keine jungen Kreativen hatten. Sabine Clausecker von der Berliner Agentur „Clausecker Bingel Ereignisse“ war auch im Publikum. Schon in der nächsten Woche besprachen wir mein treibhaus-Konzept.

WR: Wie beurteilen Sie die spezielle Ausbildungssituation?

Annette Beyer: Wir sind ganz klar noch in der Pionierphase. „Konzeptioner für Live-Kommunikation“ ist ein sehr junger Beruf, noch jünger als die Event-Branche selbst. Die Branche existiert in ihrem heutigen Profil grade mal 15 Jahre – 1997 wurde das erste Mal der Event Award EVA verliehen. Die Teilung zwischen operativen, strategischen und kreativen Aufgaben hat sich erst später in den Agenturen durchgesetzt. Das Berufsbild des Kreativ-Konzeptioners gibt es seit höchstens 10 Jahren. Es ist immer noch weitgehend unbekannt, sogar in der Branche selbst. Viele Dienstleister, Technikfirmen und sogar viele Kunden glauben, dass es die Eventmanager sind, die sich die Konzepte ausdenken. Ihnen begegnet man ständig bei der Umsetzung, die Konzeptioner arbeiten eher im Verborgenen.

Wir Event-Konzeptioner haben auch längst nicht den Glamour wie die Kreativen in der klassischen Werbung. Die talentierten jungen Leute an den Gestaltungshochschulen, von denen die klassische Werbung ihren Nachwuchs rekrutiert, haben uns nicht auf dem Schirm. Event klingt für sie nach Management und nicht nach kreativer Kommunikation. Dabei ist Live-Kommunikation, wie Event heute heißt, neben Online die dynamischste und zukunftsfähigste Werbe-Disziplin.

Überspitzt gesagt: Unser Beruf hat weniger ein Ausbildungsproblem als ein Imageproblem. Das duale Modell, die Verbindung von – Agenturvolontariat/ Weiterbildungsstudium – funktioniert bestens. Es fehlt auch nicht an engagierten Agenturen, die bereit sind, in den Konzeptioner- Nachwuchs zu investieren. Die würden gern jedes Jahr viel mehr Volontäre einstellen und zu uns ans treibhaus 0.8 schicken. Was uns noch fehlt, sind die vielen super motivierten und talentierten jungen Bewerber.


WR: Kann man Konzeption und Kreativität tatsächlich lernen?

Annette Beyer: Kreativität kann man nicht lernen. Und eine wache Neugierde für alles, was kulturell und medial um einen herum passiert, kann man auch nicht lernen. In unserem Beruf braucht man ein ganz spezielles räumlich-dramaturgisches Talent, das einem in die Wiege gelegt wurde oder auch nicht.

Was man lernen kann, ist die vorhandene Begabung mit einem handwerklichen Grundwissen und mit Praxis zu untermauern. Das ist die Aufgabe des Aufbaustudiengangs am treibhaus 0.8. Das Aufgabengebiet von Konzeptionern wird mit dem strukturellen Wandel der Werbung immer komplexer. Wir konzipieren schon lange nicht mehr nur einzelne Events, sondern denken in Kampagnen. Konzeption in Agenturen für Live-Kommunikation bedeutet, dass wir die analytisch-strategische Denke, die in klassischen Agenturen vom ‚Planning‘ übernommen wird, selbst leisten. Wir kommen von der Analyse des Briefings über die kommunikative Strategie und machen dann den Sprung zur kreativen Idee. Genau diesen Arbeitsprozess muss man immer wieder üben. Ein weiteres wichtiges Kompetenzfeld ist die Präsentation beim Kunden. Der Konzeptioner ist es, der im Pitch den Job holt. Was jeder lernen kann und muss: seine Idee überzeugend zu verkaufen.

WR: Welches Konzept verfolgt treibhaus 0.8?

Annette Beyer: Das ist eigentlich etwas sehr Einfaches und in anderen Medienberufen schon lange üblich: Die Agenturen stellen einen Hochschul-Absolventen in der Abteilung Konzeption für ein Jahr als Volontär ein. Der direkte Vorgesetzte ist in der Regel der Kreativ- Direktor. Die Agentur schickt ihren Volontär berufsbegleitend jeden Monat über ein langes Wochenende ans treibhaus 0.8. Wir haben maximal zwölf Teilnehmer aus unterschiedlichen Agenturen. Unsere Referenten sind Freie aus der Branche, Hochschul-Professoren und die CDs unserer Partner-Agenturen. Es gibt auch Workshops, die von führenden Kreativen aus dem Dienstleisterbereich geleitet werden, wie Regisseure, Licht-Designer oder Szenografen. Ich bin als Moderatorin immer dabei. Meine Aufgabe ist, den Zusammenhang herzustellen zwischen dem Input des Referenten, der meist ein Spezialist ist, und unserem Bedarf. Denn Konzeptioner sind kreative Generalisten.

Das Besondere am treibhaus 0.8 ist unser „Wanderzirkus-Modell“. Wir haben keine eigenen Schulungsräume, sondern sind an jedem Studien- Wochenende bei einer anderen Partner-Agentur zu Gast. Unsere Teilnehmer lernen in den 12 Monaten also mindestens 10 verschiedene Agenturen von innen kennen. Da bekommt man ein gutes Gefühl, welche zu einem passt. Diese Struktur wurde aus der Not geboren, weil die ambitionierten Event-Agenturen über ganz Deutschland verteilt sind. Mittlerweile hat sie sich als einer unserer größten Benefits herausgestellt. Denn auch die Agenturen nutzen gern die Gelegenheit, gleich 12 junge Kreativ-Talente auf einen Schlag kennenzulernen. Meistens nimmt sich der Agenturchef oder die Chefin persönlich die Zeit für ein Kurz-Seminar mit unseren „treibhäuslern“. Die Chefs betätigen sich auch gern als Prüfer sowohl beim Aufnahmetest als auch bei der Abschlussprüfung.

Kurz: Die Agenturen zahlen nicht nur die Studiengebühren für ihren Volontär, sondern engagieren sich auch persönlich. Das ist für mich eine sehr wichtige Sache, weil damit klar ist, dass die jungen Leute im Volontariat nicht als billige Ideengeber verheizt werden, sondern systematisch aufgebaut werden sollen.

Am Ende des treibhaus-Jahres steht die Präsentation eines eigenen Konzepts und das Zertifikat als „Konzeptioner für Live-Kommunikation“. Es trägt die Unterschriften der Kreativ-Chefs von führenden deutschen Agenturen. Für erfolgreiche treibhaus 0.8-Absolventen ist ein Job als Junior-Konzeptioner in der eigenen oder einer unserer Partner- Agenturen quasi garantiert.

WR: Was bleibt noch zu tun?

Annette Beyer: Nach vier Jahren ist die Kooperation mit den Agenturen ein Selbstläufer. Leider tun die sich oft noch schwer, ihre Volontärstellen mit echten Talenten zu besetzen. Die besten Chancen, geeignete Hochschul-Absolventen zu finden, haben die Agenturen, die selbst intensive Kontakte zu Gestaltungshochschulen pflegen. Ich kann nur an die leitenden Kreativen in den Agenturen appellieren, Lehraufträge anzunehmen, auch wenn es mit viel Arbeit verbunden. Es ist die beste Plattform, um die richtigen Leute zu finden. Hochschulen sind immer dankbar für Vorträge von Praktikern. Aber für die meisten Medien- und Designhochschulen ist unsere ganze Branche noch eine terra incognita. Die verbinden Event immer noch mit Organisation. Die Branche muss offensiv auf die Gestaltungshochschulen zugehen. Wir müssen alle zusammen Aufklärungsarbeit leisten.

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