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Widerspruch Mitarbeitersuche: der Druck zu perfekten Lebensläufen verdrängt die Leidenschaft, die wir suchen

Von Katharina Stein 11.12.2013 ~5 Minuten Lesezeit

Kürzlich las ich einen Artikel mit dem Titel „Apple würde Steve und mich nicht mehr einstellen“. Dieser Satz stammt laut Welt von einem der Apple Gründer, Steve Wozniak. Sonst neige ich dazu Artikel über Apple zu meiden ;), aber dieser weckte mein Interesse. Man halte nur mal kurz fest: der große Steve Jobs hätte in unserer heutigen Berufswelt keine Chance?! Das verdeutlicht eine Entwicklung, die nicht nur mich ärgert, sondern auch den oft gehörten Rufen nach leidenschaftlichen Mitarbeitern komplett entgegen steht: die unsinnige Überbewertung perfekter Lebensläufe!

Viele Unternehmen und Agenturen suchen verständlicherweise nach Mitarbeitern, die die heute so wichtigen Innovationen voran treiben. Sie suchen nach Nachwuchs und Mitarbeitern, die Leidenschaft, Mut und Lust auf neue Ideen haben. Und wie suchen sie? Indem sie sich an perfekten Lebensläufen orientieren. Ein guter Uniabschluss, Auslandserfahrungen, praktische Erfahrungen, Ehrenamt, Praktika oder Anstellungen bei den „richtigen“ Agenturen oder Firmen. Man will einen kreativen Menschen, der sein Leben aber zuvor zombieartig nach Idealbild durchorganisiert hat – klingt logisch, oder?! (Achtung: Ironie)

Wer nicht mithalten kann oder will, hat schlechte Karten

 

Im ersten Schritt wird häufig mit einem Blick auf die Bewerbung, den Lebenslauf oder die Noten ausgesiebt. Da konkurrieren dann ein Einser-Uniabschluss mit Aufenthalt in England, 5 Praktika und irgendwas mit Jung von Matt mit lediglich zwei Praktika, einem guten Studium in Buxtehude und einem eigenen Projekt. Wirklich schlecht sind beide Lebensläufe nicht, aber seien wir ehrlich, jemand der mit strahlenden Uniabschlüssen, überengagierten Erfahrungen oder vermeintlich aussagekräftigen Agenturnamen im Lebenslauf nicht mithalten kann, hat in vielen Fällen und bei besseren Positionen schlechte Karten.

Nun, ich bezweifle jedoch, dass „perfekte“ Lebensläufe und gute Noten zu den aussagekräftigen Kriterien leidenschaftlicher Menschen gehören. Wahrscheinlich ist sogar das Gegenteil der Fall. Interessant wäre da ein Blick in die Lebensläufe der heutigen „großen Namen“ unserer oder anderer Branchen. Waren sie gut in der Schule oder an der Uni? Haben sie überhaupt einen Uniabschluss? Hatten sie einen perfekten Lebenslauf? Auch daran zweifle ich. Der zu Beginn zitierte Satz über die Apple Gründer unterstreicht das.

Die meisten Noten oder Praktikastationen sagen noch nicht viel über Fähigkeiten oder den möglichen Wert für ein Unternehmen oder eine Agentur aus! Vor allem nichts über die Leidenschaft. Ich befürchte, dass viele gute Leute heute gar keine Chance mehr bekommen, nur weil sie in ihrem Leben nicht das getan haben, was man erwartet. Doch gerade das macht einen kreativen und leidenschaftlichen Menschen doch aus, oder?! Er geht andere Wege und schwimmt wahrscheinlich bewusst oder unbewusst gegen den Strom.

Zumindest kenne ich ein paar Menschen, die ich für ihr unfassbar großes autodidaktisches Fachwissen und ihre Leidenschaft immer wieder dazu zu lernen und Dinge richtig gut zu machen, bewundere. Das sind Menschen, die nicht nur unheimlich viel können, das sind Menschen, die ich in leitenden Positionen als strahlende Vorbilder in Agenturen und Firmen sehe. Vorbilder, die viele dringend brauchen! Doch dorthin werden diese Menschen – zumindest als Angestellte – nie kommen. Tja, der Lebenslauf passt halt nicht… ausgesiebt!

Der Druck zur Perfektion verdrängt Leidenschaft

Und dann wundern sich manche Arbeitgeber, dass sie Akademiker mit verheißungsvollen, perfekten Lebensläufen einladen, die aber irgendwie keine Leidenschaft haben. Vielleicht liegt es daran, dass Arbeitgeber auf falsche Kriterien setzen. Vielleicht liegt es auch daran, dass heutige junge Menschen darauf programmiert werden, ihre Lebensläufe zu perfektionieren und nicht Leidenschaft und Begeisterung zu entwickeln. Denn der perfekte Lebenslauf ist das, was heute gefordert und gefördert wird, ihn braucht man, um überhaupt noch eine Chance auf einen guten Job zu bekommen. So entwickelt sich beim Nachwuchs eine Art Zweckorientierung (Ich mache das, was mir etwas bringt) und das Streben nach einem glatt geschliffenen Leben(slauf). Der Druck sozialer Medien zur Selbstinszenierung, immer schnellere und leistungsorientierte Bildungssysteme tun ihr Übriges dazu – und bergen die Gefahr, dass man privat sowie beruflich auf den schönen Schein setzt, aber inhaltlich nicht mehr wirklich viel zu bieten hat. Das alles ist durchaus nachvollziehbar, niemand möchte das Risiko eingehen, sich mit ein paar falschen Stationen und einem schlechten Lebenslauf die Karrierechancen zu versauen. Jedoch ist das das komplette Gegenteil von häufig irrationaler Leidenschaft, die etwas mehr Zeit und Tiefgang braucht, um sich zu entfalten.

Wenn wir leidenschaftliche Mitarbeiter möchten (und wir brauchen sie), dann müssen wir leidenschaftliches Verhalten fördern, dem Nachwuchs zeigen, dass Leidenschaft wahrgenommen und belohnt wird – und auch nicht ganz so glänzende Lebensläufe eine Chance haben! Denn wer nach echten Persönlichkeiten sucht, liegt mit dem Kriterium Perfektion ganz falsch!
Um wieder auf den anfänglich erwähnten Artikel über The Woz zurück zu kommen. Der Autor beschreibt, wie die drei Gründer damals mit Überzeugung und Leidenschaft als kleine Fische mit einer „Computerwerkstatt“ angefangen haben. Der heutige Wert eines solchen Engagements hält sich in Grenzen, Noten oder glänzende Stationen im Lebensläufe sind da wichtiger. Dieses Vorgehen heutiger Unternehmen ist auch für Steve Wozniak unverständlich. Und so rät er: „Sie müssen die Bewerber einstellen, die nicht die besten Noten haben. Suchen Sie nach Leidenschaft, nach Machern!“ Recht hat er!

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