So langsam geht es dem Ende des Jahres zu und 2010 wurde viel diskutiert, wie es denn um die Eventbranche, um die Live-Kommunikation steht. Social-Media, die Wirtschaftskrise und der Fachkräftemangel waren unter anderem auch für die Eventbranche die großen Themen. Aber auch die schlechten Honorare und fehlenden Etats haben nicht an Brisanz verloren.
Was hat sich im Event-Marketing getan, hat sich überhaupt etwas getan? Wo hakt es wieder oder immer noch und gibt es vielleicht auch etwas Positives zu berichten? Bei einem Kaffee mit Mark Jänsch von schatkaplusjänsch haben wir erfahren, wie es ein mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung beschlagener Eventler sieht.
Katharina Falkowski: 2010 war das Social-Media-Jahr. So langsam ist Social-Media auch im Event-Marketing angekommen, aber sehr zaghaft. Warum tut sich die Eventbranche so schwer?
Mark Jänsch: Ich denke, man muss hier zwei Ebenen betrachten. Social Media hinsichtlich der Agenturen selber und Social Media hinsichtlich der Events. Beiden gleich ist etwas für die Branche neues: vielseitiges Feedback. Das ist vielen Kollegen neu: massenhaftes öffentliches Feedback. Zu einem Feedback des Kunden kommt nun neu ein freies Feedback der Teilnehmer und Zielgruppe hinzu und dann auch noch das Feedback der Kollegen aus der Branche. Das ist etwas anderes, als Feedback-Bögen der Vergangenheit. Nun kommt einiges zu Tage und damit muss man erst mal klar kommen. Aber die Eventbranche ist experimentell geworden, das muss man ihr zu Gute halten. Das ist wirklich positiv!
K.F.: Aber ist sie durch den Druck, durch die viele Kritik an mangelnden Markenführungs-Kenntnissen und den Abgesänge der Eventagenturen nicht einfach nur dazu gezwungen. Sprich, möchte die Branche sich wirklich verändern und experimentieren oder ist es nur ein Imagefaktor?
M.J.: Hm, ja das kann ein wenig von beidem sein. Aber ehrlich gesagt ist mir das egal. Hauptsache es wird experimentiert und probiert. Auch durch Imageprojekte, die mal floppen, lernt man dazu! Das ist schon ok.
Was die Markenführungs-Kenntnisse und das allgemeine Know-How der Live-Marketer anbelangt – ja, es sieht wohl wirklich so aus als gäbe es in der Eventbranche einfach zu wenig Know-How, auch was Markenführung angeht! Wenn man sich so umschaut, dominieren in der Öffentlichkeit tatsächlich diejenigen, die am wenigsten Know-How haben. Aber es gibt durchaus eine Menge Know-How und gute, kreative Leute in der Live-Kommunikation. Aber die stehen nicht so im Mittelpunkt. Echte und sinnvolle Kreativität wird in der Branche nur wenig gefördert!
K.F.: Was ist denn „echte und sinnvolle Kreativität“?
M.J.: Nun, es gibt die Kreativität um der Kreativität willen. Die sieht (gegebenenfalls) toll aus, aber bringt für das Unternehmen bzw. für die Ziele des Auftraggebers reichlich wenig. Und es gibt zielgerichtete Kreativität. Sprich Kreativität die gelenkt ist, die genau auf das Image, auf die Ziele des Auftraggebers und des Events ausgerichtet ist – die am Ende Ergebnisse liefert.
Und man muss sich als Eventler klar vor Augen führen, dass am Ende jedes Event eine vertriebliche Zielsetzung hat. Das Hauptziel aller Unternehmen und damit unserer Kunden ist eben das Verkaufen – auch wenn die Kundenbindung oder das Kommunizieren eines bestimmten Images scheinbar im Vordergrund stehen – am Ende wollen alle verkaufen! Und das ist das, was der Branche eigentlich fehlt: Vertriebsverständnis.
Um effektiv mit einem Event zu verkaufen, muss man sich in ganz unterschiedlichen Bereichen sehr gut auskennen und genau hinterfragen was der Kunde will, aber auch was im Rahmen des Möglichen ist um dieses Ziel zu erreichen. Die Zielgruppe, die Ziele und die Kapazitäten des Kunden (wie viele gute Vertriebler können vor Ort sein, wie lange brauchen sie durchschnittlich für ein effektives Verkaufsgespräch etc.) müssen alle untersucht, genau hinterfragt werden. Erst dann hat man ein komplettes Projekt- und Markenverständnis!Ein guter Event-Marketer muss also neben einer Menge Praxiserfahrung, genau über Vertriebsstrategien Bescheid wissen und diese sinnvoll mit seiner Kreativität und seinem Markenverständnis verbinden können! Und das gibt es halt nicht so oft!
K.F.: Und warum gibt es dieses Eigenverständnis und diese Kenntnisse im Event-Marketing Deiner Meinung nach nicht so oft?
M.J.: Ja, gute Frage! Ich würde sagen erstens, weil sie lange nicht aktiv gefragt waren oder sie auch heute nicht immer gefragt sind. Aus meiner Sicht gibt es viele Events, die keinen optimalen Sinn machen. Wenn man das einem Kunden mitteilt ist eine Angst der Agentur, dass entweder der Event nicht durchgeführt wird, oder sogar der Kunde die Agentur wechselt verständlich.
Und zweitens: wo lernt man das? Ein Eventler braucht viel Praxiswissen, Kreativität und Markenverständnis! Vieles davon kann man gar nicht oder nicht mal eben so lernen. Da hilft auch ein Studium meiner Meinung nach nicht alleinig!
K.F.: Also sagst Du, dass all die neuen Studiengänge für Event-, Messe- und Kongressmanagement etc. nichts bringen?
M.J.: Hart formuliert, aber ja, zumindest als alleinige Qualifikation. Kreativität kann man fördern, aber nicht lernen und da hilft auch ein Studium nicht. Daneben ist eines der wichtigsten Werkzeuge des Eventlers eben auch die Praxiserfahrung und auch das kann man nicht an der Uni lernen. Eine gute Ausbildung reicht in dieser Hinsicht vollkommen aus. Da kriegt man viel praktisches Wissen vermittelt und lernt vom ersten Tag wirklich dazu. Die Agenturen und Unternehmen müssen lernen, dass sie guten Nachwuchs selbst ausbilden müssen. Ein guter Event-Marketer wird man nicht mal eben so!
K.F.: Kommen wir zu einem anderen, eigentlich schon immer aktuellen Thema: Honorare. Seit Jahren wird sich unverändert über die niedrigen Honorare für Events beklagt und unverändert ist die Situation bisher auch geblieben. Aber jetzt kommt doch der Aufschwung und alles wird gut, oder?
M.J.: Ja, momentan reden ja alle wieder vom Aufschwung, ach wie toll! Aber ich würde sagen, gerade jetzt gibt es die schlechtesten Deckungssummen in der Eventbranche! Aber das sind wir alle auch selbst zum Teil schuld, das war nicht nur die Wirtschaftskrise!
In den häufigsten Fällen läuft das so ab: eine Agentur macht ein Angebot und nennt z.B. einen Tagessatz für einen Junior und wie viele Tagessätze für das Projekt notwendig sind. Der Kunde hat aber keinen Bezug zu den Kosten und kann sich nicht vorstellen, dass das Ganze so viel Zeit (und Geld) kostet. Und was machen die Agenturen? Weniger Stunden abrechnen, Kommissionen immer und immer wieder versteckt nachverhandeln damit die Kunden es vielleicht irgendwie verstehen oder akzeptieren. Sprich, die Preisdarstellung vor dem Kunden stimmt überhaupt nicht! Wie soll man so transparente, vernünftige Honorare für seine Arbeit einfordern?
K.F.: Ist die geringe Transparenz oder die falsche Preisdarstellung auch der Grund warum es keine Etats für Event-Marketing gibt? Der Kunde versteht es nicht und weiß nicht dauerhaft zu planen?
M.J.: Dafür gibt es noch einen ganz anderen Grund. Aber auch da ist die Branche ein ganzes Stück selbst dran schuld! Etats machen Sinn, wenn Events in Kampagnen eingebettet sind und ein Teil der Gesamtkommunikation sind, oder in sich als Reihe eine Kampagne darstellen.
Für ein Einzelevent, das die Verknüpfung mit der restlichen Kampagne nicht herstellt oder sogar manchmal noch nicht mal die Verknüpfung zum Unternehmen richtig hinkriegt, braucht ein Unternehmen kein Etat für Event-Marketing zu vergeben! Das ganze muss Sinn machen, für das Unternehmen und für den Besucher. Der Besucher muss das Konzept und die Aussage des Events verstehen, damit letztlich das Unternehmen etwas davon hat – nämlich: der Kunde kauft sein Angebot!
K.F.: Was ist denn Deiner Meinung nach ein aktuelles Beispiel für eine gutes, in der Gesamtkommunikation eingebettetes und idealerweise noch kreatives und zeitgemäßes, Event?
M.J.: Die Telekom Flashmobs sind doch ein recht gutes Beispiel! In der Kampagne “Life’s for Sharing” passt ein Flashmob inhaltlich perfekt rein, weil jemand z.B. am Flughafen etwas Ungewöhnliches sieht und es teilen möchte. Alleine etwas zu erleben macht einfach nicht so viel Spaß. Aber wenn man gerade alleine ist, dann nimmt man es auf, macht Fotos und schickt es an seine Freunde – unter anderem über Facebook und unter anderem eben mithilfe der Telekom und ihrer Dienstleistungen. Und wenn die Telekom dann auch noch direkt vor Ort ist und ihre Dienstleistungen und die Kampagne vorstellt, macht es für den Betrachter Sinn, er versteht es, er versteht die Verknüpfung zwischen dem Event und dem Angebot.
Das muss sich direkt vor Ort alles für den Betrachter erschließen und er muss vor allem das Angebot der Firma verstehen, die diese Aktion angeregt hat und wissen was er warum dort kaufen sollte. Dann ist ein Event sinnvoll und gut integriert.
K.F.: Das setzt aber auch voraus, dass der Kunde ein Gesamtkonzept anstrebt, das zulässt bzw. die Event-Agentur rechtzeitig einbezieht.
M.J.: Ja klar! In Sachen Weitblick und sinnvollen, hinterfragten Marketingaktionen sind die Kunden manchmal nicht weiter! Da hört man manchmal zwei Monate vorher “Och, lass uns doch noch mal ein Event machen und alle einladen“ und wenn man nach einem Ziel fragt, werden große Augen gemacht: “Ein Kundenevent halt”.
Da sind wir als wirklicher Fachmann gefragt, der dem Kunden auch mal die Sinnfrage nicht nur stellt sondern auch mal antizipativ beantwortet.
K.F.: Sprich, die Live-Kommunikation hinkt den anderen Marketing-Branchen nicht hinterher?
M.J.: Nein, finde ich nicht! Die gesamte Marketing-Branche in Deutschland ist nicht die Kompetenteste in meinen Augen, wenn es um die Frage der Zielsetzung und Zielerreichung geht! Marketing ist vielfach zum Selbstzweck geworden. Man macht einen tollen Werbespot oder eben ein Kundenevent ohne darüber nachzudenken wie es in die Vertriebsstrategie rein passt bzw. ob es überhaupt für den Vertrieb dienlich ist. Nach so vielen Jahren haben viele z.B. immer noch nicht verstanden, dass die “Zielgruppe” immer noch nicht “alle” sind! Da wird so viel Geld verschleudert, nur um die Welt zu bespaßen oder irgendetwas zu machen!
K.F.: Wahrscheinlich ist es zu unbequem und zu aufwendig sich mal wirklich Gedanken über sinnvolles Marketing zu machen.
M.J.: Ja und es birgt auch immer ein Risiko. Man hat Angst seine eigenen Fehler und seine eigene Ineffektivität zu entlarven, wobei Fehler nun mal dazu gehören und Effektivität im Marketing per se schwer und nur langfristig darzustellen ist. Meistens heißt es “Hauptsache machen”. Stillstand sieht nicht gut aus und ein schlechtes Event kann man sich mit großem Budget, tollen Effekten und so vielen Besuchern einfach schön reden.
K.F.: Und was heißt das für die Agenturen, wenn der Kunde selbst nicht weiß oder sogar nicht wissen will, wie er es richtig machen sollte?
M.J.: Den Kunden immer ehrlich beraten – sofern es die Agentur besser weiß! Keine Plattitüden vorschieben, die in unserer Branche so gern genutzt werden. Fakten schaffen, Kerninhalte generieren und Events kreieren, die einen Sinn haben, die dem Kunden beim Vertrieb helfen und nicht nach Abschluss einfach verpuffen! Das heißt manchmal auch dem Kunden zu weniger Besuchern, zu einem kleineren, aber spezielleren Einsatz seines Budgets zu raten. Viel hilft nicht immer viel!
Die Branche braucht mehr Selbstbewusstsein! Selbstbewusstsein im Sinne von: wer bin ich, was ist meine Aufgabe! Events und Event-Marketing haben keinen Selbstzweck, sie haben einen Sinn und Ziele und dessen müssen wir uns in der Live-Kommunikation klar werden!
K.F.: Vielen Dank für das sehr interessante und ehrliche Interview!
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