Das Bedürfnis nach „echten“ Begegnungen und Emotionen, nach Gemeinschaft und „echtem“ Wir-Gefühl waren gerade nach der Pandemie enorm. Doch Gemeinschaft tatsächlich herzustellen, Menschen mit starken Emotionen zu begeistern und einem glücklichen Wir-Gefühl zu verabschieden – das ist eine große Aufgabe, die oft unterschätzt wird. Worauf es dabei ankommt, haben uns sechs Agenturen verraten.
Autorin: Katharina Stein, Herausgeber: avedition
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Markenerlebnisse – mit echten Begegnungen, einem Wir-Gefühl und gezielte Emotionen
Emotionen entstehen bei Erlebnissen immer. Es gilt nur, die gewünschten zu wecken. Wie und womit gelingt das am besten? Worauf kommt es an?
Alessandra Negri, Dennis Mayr: An vorderster Stelle stehen ein einzigartiges, gemeinschaftliches Erlebnis und ein „Money can’t buy“-Moment. Wir möchten Gäste an einen anderen Ort entführen und einen Moment schaffen, der alle Sinne anspricht und sie im besten Fall dort abholt, wo sie es nicht erwartet hätten.
Philipp Beck: Es geht darum, ein guter Gastgeber zu sein und Räume mit allen Sinnen erlebbar zu gestalten. Eine konsistente Geschichte erzählen – über den visuellen Reiz, den Raumklang, Farben und Formen, Gerüche, die Materialselektion, die Anordnung der Möbelstücke, das Licht, die architektonische Planung und vieles mehr. Die Summe der Kleinigkeiten kreiert das große Ganze.
Jeder Mensch empfindet anders. Ist es überhaupt möglich, bei allen Gästen die gleichen Emotionen zu wecken?
Philipp Beck: Natürlich kann man mithilfe von Neuromarketing Gerüche, Geschmack, Klang, Farben etc. so einsetzen, dass im Unterbewusstsein der breiten Masse ähnliche Emotionsmuster aktiviert werden. Doch liegt die Kunst des Erlebens nicht vielmehr darin verborgen, dass jeder ein Erlebnis individuell wahrnimmt?
Alessandra Negri, Dennis Mayr: Emotionen sind höchst individuell – genauso soll und darf eine Veranstaltung von jedem Gast individuell erlebt werden. Die große Kunst ist, über ein Storytelling die Emotionen so zu leiten, dass alle ein positives Markenerlebnis haben.
Von Gemeinschaft und Wir-Gefühl wird oft gesprochen. Aber wie schafft man ein wahrhaftiges Wir-Gefühl?
Marc Ziegler: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Wir-Gefühl auszulösen. Zum Beispiel durch die Exklusivität des Erlebnisses, indem Zuschauende zu Akteur:innen werden oder Interaktion Teil des Konzepts ist.
Tobias Bergmann: Das vielbeschworene Wir-Gefühl lässt sich nicht herstellen – aber auf viele Arten fördern. Durch gemeinsame Werte und Ziele, die richtigen Botschaften, Angebote zur Partizipation, wiederkehrende Rituale, Feiern und vieles mehr. Am besten durch gemeinsame Erlebnisse. Denn sie verbinden Menschen und das über den Moment hinaus. Aus ihnen können Geschichten werden, die noch lange erzählt und geteilt werden. Dabei gilt: Je einprägsamer das Erlebnis – also je klarer die Botschaften, je größer die Bilder, je einfacher die Idee –, desto länger werden Menschen über das Erlebte reden und es mit anderen teilen.
Bei Events geht es auch oft um Begegnungen. Die entstehen aber nicht, nur weil sich Menschen gemeinsam in einem Raum befinden. Wie unterstützt man tiefer gehende, „echte“ Begegnungen?
Susanne Krebs: Ein intensiver Austausch entsteht, wenn Gäste das gleiche Ziel verbindet und sie die Möglichkeit haben, sich auf persönlicher Ebene kennenzulernen. Dafür muss eine positive und unterstützende Atmosphäre geschaffen werden, in der sich die Teilnehmenden wohl- und willkommen fühlen.
Wie sieht das konkret in der Praxis aus?
Susanne Krebs: Eine Veranstaltung sollte die Bedürfnisse und Erwartungen der Gäste erfüllen. Sie muss für alle relevant und ansprechend sein – und die richtige Balance zwischen Begegnungen, Austausch und Vermittlung von Inhalt erreichen.
Dabei sollte eine inklusive Umgebung entstehen, in der alle Gäste gehört und respektiert werden. Wenn Teilnehmende das Gefühl haben, nicht einbezogen oder gehört zu werden, wird das die Atmosphäre beeinträchtigen.
Insgesamt erfordern solche Veranstaltungen eine sorgfältige Planung, Vorbereitung und Zusammenarbeit, um sicherzustellen, dass alle Herausforderungen bewältigt werden und die Gäste eine positive Erfahrung machen.
Neben der szenografischen Qualität des Raums ist es für einen Gewinn bringenden Austausch hilfreich, mit kleinen Gruppen ein intimes Umfeld zu schaffen, das die Menschen ermutigt, sich zu öffnen. Dabei spielen sorgfältig ausgewählte Facilitatoren eine wichtige Rolle. Sie prägen den Austausch mit Offenheit und Ehrlichkeit und setzen Impulse, die dabei helfen, sich aktiv ins Gespräch einzubringen. All das erfordert Zeit und die echte Bereitschaft zuzuhören.
Gemeinschaft und Wir-Gefühl sind keine neuen Themen, aber zeichnen sich hier trotzdem Veränderungen ab?
Tobias Bergmann: Unser altes Verständnis von Gemeinschaft funktioniert an vielen Stellen nicht mehr. Aber statt dem verlorenen Wir nachzutrauern, brauchen wir ein neues Denken von Gemeinschaft. Formen des „Wir“, die nicht versuchen, Unterschiede zu beseitigen und Einheit herzustellen – sondern verschiedene Fähigkeiten, Perspektiven, Haltungen und Meinungen unter einem „Wir“ zu versammeln.
Dafür braucht es neue Formate der Begegnung und des Dialogs. Erlebnisformen für ein Wir-Gefühl, das trotz – oder gerade durch – die Unterschiede entsteht.
Wie helfen Technologien dabei, Emotionen zu erzeugen? Oder funktionieren physische Komponenten eigentlich besser?
Jesper Götsch: Neue Technologien sind kaum mehr wegzudenken, wenn es um die Erzeugung von Emotionen geht. Doch: Technologie ist nur ein unterstützendes Tool, um eine Idee erlebbarer zu machen – als Selbstzweck funktioniert sie schlecht.
Inszenierungen mit komplexen Technologien werden bisweilen auch zu komplex gedacht. So verpasst man die Chance, einfach Emotionen und Wow-Momente zu generieren. Reduce it to the max!
Letztlich funktionieren technologische Inszenierungen und Interaktionen am besten im analogen Kontext. In einer entsprechenden Atmosphäre, mit einer hohen Ästhetik und der richtigen räumlichen Inszenierung. Das Geheimnis liegt in der Verbindung zweier Welten: echte bzw. analoge Erlebnisse mit Unterstützung technologischer Innovationen.
Marc Ziegler: Medien und neueste Technologien sowie Sound, Musik und Licht sind, richtig und in Maßen eingesetzt, wichtige Bestandteile für den Erlebnisfaktor. Sie bilden Überraschungsmomente und lösen Gänsehaut aus. Sie bringen mich zum Staunen und verstärken Erlebnisse.
Auf keinen Fall sollte reine Faszination für die Technologie ausgelöst werden. Das wäre oberflächlich und verfehlt das Ziel. Stattdessen sollte Technologie die Story verstärken und Faszination für den Content generieren.
Aber erst in Verbindung mit analogen Komponenten bleibt das Erlebnis in der realen Welt. Es wird nicht zur Fiktion und kann emotional betrachtet „realer“ empfunden werden. So löst ein digitaler Avatar, der isoliert etwas präsentiert, weniger Emotionen aus als eine Interaktion des Avatars mit einer realen Person.
Mit Technologien entstehen oft Begegnungen zwischen Technik und Mensch. Wie aber können sie helfen, Begegnungen zwischen Menschen anzuregen?
Jesper Götsch: Der Einsatz von Technologien kann enorm dabei helfen, Themen und Produkte besser zu erklären und damit die Kommunikation zu unterstützen. Dabei sollten die Interaktionen für ein größeres Publikum sichtbar sein, um Aufmerksamkeit und weitere Interaktionen auszulösen und ein gemeinsames Erlebnis zu schaffen. Hier helfen möglichst einfache Anwendungen und Effekte, um geringe Barrieren aufzubauen und unmittelbare Effekte zu erzeugen.
Bei digitalen Events ist die Vermittlung von Emotionen die größte Herausforderung. Wie aber kann sie gelingen?
Susanne Krebs: Wichtig ist, eine Kombination verschiedener Elemente anzuwenden, um eine emotionale Verbindung zu den Gästen zu schaffen und die Atmosphäre bei digitalen Veranstaltungen positiv zu gestalten. Der Einsatz hängt auch davon ab, welche Emotionen transportiert werden sollen und welche Erfahrungen und Ziele die Gäste haben.
So können visuelle Elemente, der Tonfall und Musik dabei helfen, Emotionen zu transportieren und eine persönliche Verbindung zu erzeugen. Es ist wichtig, einen positiven und einladenden Ton zu gebrauchen, um die Gäste zu ermutigen, sich zu engagieren.
Interaktive Elemente und Gruppenaktivitäten können dazu beitragen, eine Bindung zwischen den Gästen herzustellen und ein Wir-Gefühl zu fördern.
Und nicht zuletzt können Geschichten eine starke emotionale Wirkung entfachen und viel zum Aufkommen einer Verbindung beitragen. Emotionalität entsteht immer dann, wenn Menschen Geschichten teilen.
Vielen Dank an alle Interview-PartnerInnen und Agenturen.
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