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Kundenorientiertes Marketing funktioniert heute nur über alle Kundenkontaktpunkte

Von Katharina Stein 26.3.2013 ~6 Minuten Lesezeit

Werbung und Marketing funktionieren heute nicht mehr alleine über klassische Werbekontaktpunkte wie TV-Spots und Anzeigen. Jede auch noch so kleine Situation, jeder direkte und indirekte Kontakt mit dem Kunden ist Marketing und eine Möglichkeit einen guten oder schlechten Eindruck zu hinterlassen – zum Kauf zu animieren oder abzuschrecken.

Ist nichts wirklich Neues? Ja, natürlich gibt es diesen Ansatz schon länger. Wird kundenorientiertes Marketing über alle Kontaktpunkte hinweg also tatsächlich praktiziert? Meinem Eindruck nach: Nein! Daher kann man das Thema und die aktuell sehr hohe Bedeutung im Marketing nicht oft genug ansprechen. Wie gutes Touchpoint Marketing aussieht, welche Fehler typischerweise gemacht werden und was man bei Events beachten sollte, hat uns Anne M. Schüller, Autorin des Buches „Touchpoints“, in einem Interview verraten.

Interview mit Anne M. Schüller über Touchpoint Management

Du setzt Dich in Deinen Vorträgen und in Deinem Buch mit Touchpoints auseinander. Was sind Touchpoints und was macht richtiges Touchpoint Management aus?

Anne M. Schüller: Touchpoints, also Kundenkontaktpunkte, entstehen überall da, wo ein (potenzieller) Kunde mit einem Unternehmen und seinen Mitarbeitern beziehungsweise dessen Produkten, Services und Marken in Berührung kommt, sei es vor, während oder nach einer Transaktion. Dies kann in direkter Form (Beratungsgespräch, Newsletter, Anzeige, Website, Event, Messestand, Hotline, Rechnung, Reklamation etc.) oder in indirekter Form (Meinungsportal, User-Forum, Testbericht, Presseartikel, Mundpropaganda, Weiterempfehlung etc.) geschehen.

Im Touchpoint Management wird das alles aus Sicht des Kunden betrachtet. Man folgt also der Customer Journey, der ‚Reise‘ des Kunden durch das eigene Unternehmen oder zum Beispiel auch dem Kundenweg durch ein Event, um das Ganze dann gezielt optimieren zu können. Das hört sich hier zunächst ganz selbstverständlich an, doch in Wirklichkeit passiert das alles meist genau andersherum: Der Kunde soll sich in die vom Unternehmen vorgedachten Abläufe fügen. Und damit sind Schwachstellen oder Misserfolge oft genug schon vorprogrammiert.

Wie finde ich die für mich sinnvollen Touchpoints und wie nutze ich sie effektiv?

A.S.: Das Touchpoint Management beginnt immer mit einer sorgfältigen Analyse – und zwar aus dem Blickwinkel des Kunden betrachtet. Dabei geht es um ein systematisches Erfassen der kundenrelevanten Kontaktpunkte und um das Dokumentieren der dortigen Ist-Situation. Im zweiten Schritt wird die optimale Soll-Situation für die zu betrachtenden Touchpoints definiert, um daraufhin passende(re) Vorgehensweisen zu suchen, zu finden und umzusetzen. Im abschließenden Monitoring folgt dann das touchpointspezifische Messen der Ergebnisse.

Bei genauer Betrachtung kommen selbst in mittelgroßen Unternehmen weit mehr als 100 Touchpoints zusammen. Entscheidend ist dann die Frage, auf welche Kontaktpunkte man sich konzentrieren soll, welche sich neu kombinieren lassen, welche vernachlässigt werden können, welche gestrichen werden müssen und welche womöglich noch fehlen. Notwendig ist auch das Herausfiltern der Super-Touchpoints, die mehr als alle anderen zu einer Kaufentscheidung, zum permanenten Wiederkauf und zu engagierten Weiterempfehlungen führen.

Kundenkontakt-Management

Mit dem Internet und Social Media haben sich verständlicherweise die Schnittpunkte an sich erweitert. Wie haben sich diese Kontaktsituationen aber auch „inhaltlich oder qualitativ“ verändert?

A.S.: Socialmediabasierte Touchpoints spielen eine zunehmend wichtige Rolle. Diese werden auch als ‚Earned Touchpoints‘ bezeichnet, weil die Anbieter sie sich nicht kaufen können, sondern durch ihre Taten verdienen. Und das bedeutet für das Touchpoint Management: Wir leben in einer Empfehlungsökonomie. Die Menschen nutzen das Web nicht mehr nur zur Informationsbeschaffung, sondern auch zur Meinungsbildung, zum Erfahrungsaustausch und zur gezielten Beeinflussung Dritter.

„Sei wirklich gut, und bringe die Leute dazu, dies vehement weiterzutragen.“ So lautet das neue Businessmantra. Umsätze steigen nicht länger proportional zum Werbedruck, sondern mit der Güte der Reputation, der Wertigkeit der Mundpropaganda und der Zahl der aufrichtigen Weiterempfehlungen. Marktteilnehmer glauben nicht länger den Hochglanzbroschüren der Anbieter und deren Verkäufergeschwätz. Kaufbestimmend ist nun, was das eigene Offline- und Online-Netzwerk sagt.

Neben den aktuell viel diskutierten Online-Touchpoints, gibt es auch Offline-Kontaktpunkte, wie z.B. Events. Gibt es zwischen beiden einen qualitativen Unterschied?

A.S.: Zwar wird derzeit sehr viel über die Digitalisierung unserer Welt gesprochen, doch aus meiner Sicht spielen die Offline-Touchpoints nach wie vor die entscheidende Rolle. Denn Menschen kaufen am liebsten von Menschen. Und Menschen brauchen den Face-to-Face-Kontakt, denn wir lesen ja vor allem aus Gestik und Mimik heraus, ob es jemand gut oder böse mit uns meint. Diese evolutionär überaus wichtige Funktion fehlt unserem Oberstübchen, wenn wir uns nur noch per Mail oder über Online-Plattformen austauschen können. Insofern werden Anlässe, bei denen sich die Leute leibhaftig treffen, auch in Zukunft von existenzieller Bedeutung sein.

Welche Fehler machen Unternehmen und Menschen typischerweise in diesem Bereich?

A.S.: Uii, die Fehler sind vielfältig, und man kann in jede Menge Fettnäpfchen stapfen. Die größten Stolpersteine? Der erste ist der, von sich selbst auszugehen, und das Ganze aus einer Eigensicht heraus durchzuplanen. Der zweite hat mit Abteilungsegoismen und Silo-Denke zu tun, in deren Folge die Interessen der Kunden oft in den Hintergrund rücken. Und der dritte betrifft das Topdown-Syndrom, bei dem alles von Oben vorgegeben wird, was dann aus den beteiligten Mitarbeitern lustlose Ausführungsmarionetten macht.

Touchpoint-Optimierungen sollten deshalb im Wesentlichen von den Mitarbeitern selbst erarbeitet werden. Deren ‚Wollen‘ erreicht man immer dann am besten, wenn sie freiwillig sagen, sie könnten sich vorstellen, etwas in Zukunft so und so zu machen. Begeisterung für die Sache wird auf diesem Weg gleich mitgeliefert. Und wichtiger noch: Die geplanten Maßnahmen werden dann auch engagiert umgesetzt. Denn sie wurden in Eigenregie entwickelt. So entsteht schließlich der ‚Mein-Baby-Effekt‘. Und sein Baby lässt man bekanntlich nicht im Stich.

Abschließend, welche Tipps kannst Du für das Touchpoint Management bei Events geben?

A.S.: Folgendes Vorgehen kann ich zum Beispiel empfehlen: Sind die einzelnen Kontaktpunkte definiert, werden diese auf ihre Enttäuschungs-, OK- und Begeisterungsfaktoren hin analysiert. Die Frage ist, was der Kunde im Vorfeld erwartet, und was er im Vergleich dazu wirklich erhält. Hierbei wird das Vorgehen an den einzelnen Touchpoints wie folgt untersuchen:

Was ist enttäuschend? (= Was wir keinesfalls tun dürfen.)
Was ist OK? (= unser Minimum-Standard, die Null-Linie der Zufriedenheit)
Was ist/wäre begeisternd? (= Was wir bestenfalls tun können.)

Außerdem sollte an folgender Aufgabe gearbeitet werden: Was ist die verrückteste Idee, die zu diesem Event passt? Es sind vor allem kleine Gesten, die der Kunde so nicht erwartet hat, und die sein Herz berühren, die schließlich zur Begeisterung führen. Wir können gar nicht genug Aufmerksamkeit darauf lenken. Gerade durch sie entsteht am Ende Gesprächsstoff für reichlich Mundpropaganda – und Empfehlungen kommen dann fast wie von selbst.

Anne, vielen Dank für das Interview!

» Mehr zum Thema Kundenkontaktpunkt-Management findest Du im Buch“Touchpoints“

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