Beim Zeus, das hatte schon etwas Überirdisches! Waren wir schon im Show-Himmel? Kommt danach noch etwas? Gewiss, die beiden olympischen Zeremonien waren grandios, aber es fällt mir schwer, in die Jubelarien einzustimmen. Fast zu perfekt in den Details und manchmal so orientierungslos in der Storyline. Große Momente wie für die Ewigkeit wechselten mit Effekthascherei. Trotzdem verneige ich mich vor der Leistung der Macher und Mitwirkenden.
27. Juli 2012: Das Imperium schlägt zurück
Nach zehn Minuten beschlich mich das Gefühl, dass die Briten es der Welt noch einmal richtig zeigen wollten. Dieser lange verdammte Abstieg vom Weltreich in die Niederungen von De-Industrialisierung, wirtschaftliche Dauerkrise und brennenden Städten. Und dann noch der moralische Sumpf namens Finanzindustrie, die Londoner City als Herz der Finsternis. Die hässlichen Schlagzeilen der Weltpresse über die britischen Bankster und Bankenskandale, ausgerechnet kurz vor den Olympischen Spielen!
Für das nationale Selbstwertgefühl wurde eine Menge getan, die selbstverliebte Nabelschau war streckenweise für Nicht-Insulaner kaum verständlich. Da war sie wieder, die ‚splendid isolation‘. Ja, wir lieben Euch trotzdem, Euren Shakespeare, Euren Humor, Eure Coolness, Eure Musik. Doch Ihr sollt nicht langweilen, mahnte schon Oscar Wilde, aber der war ja auch ein Ire. Die ganze Nummer mit dem Kinderkrankenhaus und der Literatur-Inszenierung von Alice im Wunderland, Peter Pan, Harry Potter, obendrauf die englischen TV-Serien, waren überladen, überinszeniert und irgendwann langweilig. Da ist der Show-Gaul mit Euch durchgegangen. Genial waren Mr. Bean und die Symbolik der Olympischen Ringe, die Entzündung des Olympischen Feuers, die idyllischen Landschaften und Kinderchöre zu Beginn.
Welch eine Frechheit: den spiritus rector des Internet, Mr. Tim Berners-Lee so vorzuführen, war ausgesprochen respektlos. Daniel Craig war, ist und bleibt ein Abziehbild unseres Helden Bond – James Bond! Die Queen wäre auch so gekommen. Beckham? Geschenkt und ein völlig überschätzter Fußballer dazu. Stunden später – der dramaturgische Schnitzer des Jahres: wie kann man nach einem Requiem die Athleten ins Stadion einmarschieren lassen?
12. August 2012: Top of the Pops und leblose Brasilianer
Noch einmal grandiose Bühnenbilder und Kostüme, geniales Licht-Design, ein Auto-Korso nach dem anderen, also viel fahrendes Volk, spektakuläre Massenszenen, die LED-Kacheln, auf denen FREEDOM durchs Stadion schwebte. Ja, es war der gleiche Rausch der Bilder, anrührende Momente, überschäumende Lebenslust und eine Explosion der Farben. Die gleiche Hyperaktivität, die gleiche Reizüberflutung… . Echt too much!
Britische Musiklegenden, eine Perle nach der anderen, jeweils als Mini-Musical inszeniert:
Emily Sandé, Madhouse, George Michael, Ray Davies, Annie Lennox, FatBoy Slim, JessieJ, Tinie Tempah, Taio Cruz, SpiceGirls, Queen, Take That, The Who – da habt Ihr kaum etwas ausgelassen, auch nicht den Kitsch mit John Lennon. Man wurde süchtig, wer kommt als nächstes, gib mir mehr, gib mir viele viele bunte Smarties. Und dann noch einmal so ein dramaturgischer Fehlgriff:
Nach dem orgiastischen Gitarrenspiel von Brian May die Bruchlandung mit den Reden der Oberlangweiler vom IOC. Nachdem das ausgestanden war, freuten wir uns auf Rio de Janeiro, doch… .
Was war mit den Brasilianern los? In LED-Kostümen kann man nicht tanzen, hat ihnen das keiner gesagt? Die Lady war auch nicht The Girl from Ipanema. Sie wirkte kraftlos, saftlos, uninspiriert, Eure Nummer. Kein Karneval, kein Samba, keine Farben, keine Lebensfreude – nur Pelé.
Aber sonst war es klasse!
Foto von CarlosVanVegas / flickr
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