Am 10. September 2011 wurde in Mannheim der 125. Geburtstag des Automobils unter dem Namen „autosymphonic“ gefeiert. Das Großevent mit 17.000 Besuchern sollte als „multimediale Autosinfonie“ die Entstehungsgeschichte des Automobils inszenieren. Michel Maugé als ehemaliger Geschäftsführer der m:con – mannheim: congress GmbH, die die Veranstaltung im Auftrag der Stadt Mannheim betreute, berichtet über die Herausforderungen und Hintergründe.
» Interview-Reihe aus dem Buch „Alles nur Theater“
Interview: Michel Maugé über die Hintergründe des Großevents „autosymphonic“
Das Interview führte Ricarda Merkwitz, Mitautorin des Buches „Alles nur Theater“.
Ricarda Merkwitz: Welche Besonderheiten gab es bei der Inszenierung des Marketing- Events „autosymphonic“ zum 125. Geburtstag des Automobils 2011 in Mannheim?
Michel Maugé: Inszeniert wurde die Geschichte des Automobils in einer Open-Air-Veranstaltung mit 17.000 Besuchern. Die multimediale Autosymphonie, mit neuer Musik, die spezifisch für das Event komponiert wurde, und einer sehr anspruchsvollen visuellen Umsetzung, spiegelte die Entstehungsgeschichte des Automobils wider. Diese Inszenierung hatte acht Akte, basierend auf den Memoiren von Carl Benz.
Die Event Location war die Friedrichsplatz-Anlage in Mannheim, die in eine Konzert-Arena mit 65.000 Quadratmetern verwandelt wurde. Die Zuschauer saßen sich im 180° Winkel gegenüber; die gesamte Spielfläche hatte 360°. Hierbei ergab sich die Schwierigkeit, für die Zuschauer, die Inszenierung im 180° Winkel zu beobachten. Ein weiteres Problem war die Akustik; das Echo von 2 Sekunden machte eine sehr teure und aufwendige Tonanlage notwendig. Die Tonanlage verursachte über 2 Mio. € Kosten.
RM: Wie konnte das Produkt Auto kreativ in die Inszenierung eingebunden werden?
Michel Maugé: In die extra für dieses Event komponierte „autosymphonic“, die vom SWR Sinfonieorchester, dem SWR Vokalensemble und dem Kinderchor der Staatsoper Stuttgart aufgeführt wurde, hatte der Komponist Marius Joannou Elia die Klänge von 80 Fahrzeugen eingebettet. Mit Unterstützung der Oldtimer Clubs Deutschlands wurden 250 Autos auf ihre Geräusche hin getestet. Das Casting der Autos in Bezug auf die Geräusche erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Komponisten über einen Zeitraum von anderthalb Jahren. 60 Geräusche pro Auto bildeten die Basis für die Komposition; die Autogeräusche wurden in das Orchesterstück integriert.
RM: Wie wurde die Dramaturgie dieses Events entwickelt?
Michel Maugé: Das Event hatte zwei Teile: der erste Teil bestand aus einem Live-Konzert der „Söhne Mannheims“ und war an das junge Publikum gerichtet. Der zweite Teil bestand aus der Symphonie in acht Sätzen mit einer parallelen Projektion auf LED Wänden. Die Autos wurden auf 10 Spielflächen verteilt und durch 120 junge Percussionisten bespielt. Ein Highlight war die Multimedia-Inszenierung Horst Hamanns auf 600 Quadratmetern LED Wänden. Der absolute Höhepunkt der Inszenierung war eine virtuelle Projektion in 3D, bei der sich der Wasserturm, überzogen mit einem Netz aus Laserstrahlen und Bildern, optisch drehte – das war ein Finale mit „AHA Effekt“. Der Komponist und der Multimedia-Künstler verbanden Musik, Licht, Bilder, Sprache, Gesang und Autogeräusche zu einem Gesamtkunstwerk.
RM: Wie konnten die Mannheimer interaktiv in das Event einbezogen werden?
Michel Maugé: Wir standen bei der Inszenierung vor der Frage: Wer erzeugt die Geräusche in den Autos? Dafür waren über 120 Schlagzeuger nötig. So entstand die Idee zu einem sozialen Projekt in Zusammenarbeit mit der Pop Akademie Mannheim. 120 Schüler erhielten ein Jahr lang kostenlos einen Basis-Lehrgang für Schlagzeug. Die Schlagzeuge wurden den Schulen zur Verfügung gestellt. Parallel zum Casting der Schüler erfolgte eine PR-Kampagne auf Facebook.
Die Gäste des Events wurden durch Zusehen, Zuhören und Erleben einbezogen. Im VIP-Bereich, der wie eine Rennstrecke gestaltet war, gab es ein Catering, bei dem Kellner in Automechaniker-Bekleidung Picknickkörbe verteilten. Das Event zeigte eine starke emotionale Einbindung der Bürger Mannheims und den Stolz auf ihre Stadt. Wegen der vier Tage dauernden Straßensperren war ein spezielles PR-Konzept für die 2000 Anwohner notwendig. Hier wurden mit Backstage-Führungen eine gute Einbindung und eine positive Grundstimmung erzeugt. Bei 17.000 Gästen sind die Verkehrsmaßnahmen und das Security-Konzept sehr anspruchsvoll und stellten eine besondere Herausforderung dar, die nur durch das gute Zusammenspiel aller Beteiligten gemeistert werden konnte.
RM: Wodurch erreichten sie die hohe Akzeptanz der Veranstaltung?
Michel Maugé: Der Termin des Events war mit dem 10. September sehr gut gewählt. Einen Tag vor der Eröffnung der IAA, der Internationalen Automobilmesse in Frankfurt waren 500 internationale Journalisten und sieben TV-Teams vor Ort. Sie sorgten dafür, dass das Event kein Lokalereignis blieb, sondern durch die weltweite PR eine hohe internationale Reputation erreichte.
RM: Welche Trends sehen Sie für die Zukunft des Events?
Michel Maugé: Wichtig für die Inszenierung von Events ist ein Ziel und eine klare Botschaft. Man kann Botschaften auch mit einfachen Mitteln inszenieren; auch ein Pantomime vor einem schwarzen Vorhang kann ein Produkt wirkungsvoll präsentieren. Der Einsatz von Multimedia aber ermöglicht neue gestalterische Dimensionen; wichtig bei der Inszenierung von Produkten ist der „AHA Effekt“, der Überraschungsmoment für den Zuschauer.
Die Inszenierung eines Events sollte ein Gleichgewicht zwischen Information und Emotion herstellen. Wichtig ist, dass Events Geschichten erzählen. Bei Marketing-Events kommt es darauf an, dass das Ziel, die Botschaft, die Informationen und die Emotionen in ein Gesamtkonzept integriert werden, das der Corporate Identity des Unternehmens entspricht. Eventkonzepte müssen in Zukunft stärker psychologisch ausgerichtet werden, also im Hinblick auf ihre Wirkung auf den Rezipienten ausgerichtet werden. Events stellen zudem einen Teil des Gesamtkonzeptes der integrierten Kommunikation des Unternehmens dar; d. h. jedes Marketing-Event muss perfekt in die Marketingstrategie des Unternehmens passen.
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