Eine kürzlich veröffentliche „Diversity Studie“ des GWA zeigt, was uns eigentlich schon lange nicht mehr neu ist. Auch in Agenturen sind Frauen in Führungspositionen in der Minderheit, sie verdienen weniger und wenn jemand in Teilzeit geht und auch bleibt, dann sind es mehrheitlich Frauen. Und das obwohl sie in dieser Studie 60% der Belegschaft ausmachen.
Die Ergebnisse basieren auf der Auswertung anonymisierter Personaldaten und 1.970 Stellen von 21 GWA-Agenturen. Ein somit eher kleiner Ausschnitt aus der Agenturwelt.
Vergleicht man die Zahlen der GWA-Studie mit branchenübergreifenden Werten, liegt z.B. der deutsche Gender Pay Gap im Jahr 2020 deutlich höher: 18% gegen 6,5% in den 21 Agenturen. Im mittleren Management und den Führungspositionen ist der Gender Pay Gap aber auch in den Agenturen deutlich höher. Der generelle Frauenanteil in Führungsetagen liegt bei knapp 28%, in der GWA-Studie liegt er nur bei 18%. Und die Teilzeitquote lag in Deutschland im Jahr 2020 bei 26,8%, in den untersuchten Agenturen liegt er laut GWA-Studie bei 23,2%.
Zahlen hin oder her, letztlich wird überall deutlich, dass Frauen nach wie vor beruflich benachteiligt sind. Doch noch wichtiger als die Bestandsaufnahme ist die Frage, wie sich die Situation ändern und bessern kann. Darüber habe ich mit Kerstin Hoffmann-Wagner gesprochen. Sie ist selbstständige Eventberaterin und Trainerin und in Frauen-Netzwerken wie unter anderem „Women in Events“ aktiv.
Gleichberechtigung in Agenturen: Interview mit Kerstin Hoffmann-Wagner
Sind Agenturen im Vergleich zu anderen Branchen diverser und offener oder doch konservativer in ihren Strukturen?
Kerstin: Das ist sicher nicht pauschal zu beantworten. Viele Agenturen, die ggf. schon viele Jahre am Markt sind und festgelegte Strukturen haben, sind häufig noch in den traditionellen Rollenmodellen verhaftet. Sie weisen eher die bekannten Strukturen auf, in denen Frauen die gesamte Basis bilden und die Führungspositionen hauptsächlich männlich besetzt werden. Neue Wege in der Agenturorganisation oder in Arbeitsformen werden, wenn überhaupt, nur zögerlich angegangen.
Auf der anderen Seite können aber gerade Agenturen, die in einer kleineren und agileren Einheit gegründet und geführt werden, flexibler sein, was Arbeitszeitmodelle, Kollaboration und andere zukunftsweisende Geschäftsmodelle angeht. Ihnen fällt es leichter, die erforderliche Umgebung dafür zu schaffen, dass es in allen Ebenen der Agentur ein möglichst ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen gibt.
Letztlich steht und fällt aber alles natürlich mit den Menschen, die in Agenturen die Entscheidungen treffen, wenn es um Diversität oder auch neue Wege für Strukturen und Arbeitswelten geht.
Was müsste denn passieren, damit sich etwas an der Situation ändert? Was ist das zentrale Problem bzw. was die Lösung?
Kerstin: So vielschichtig wie das Problem ist, gestalten sich auch die Lösungswege. Es gibt sicher nicht die eine Erklärung dafür, warum es noch immer so wenige Frauen in Entscheidungspositionen gibt. Für mich sind es drei Ansätze, die wichtig sind, wenn wir hier für spürbare Veränderungen sorgen wollen:
Weg von alten Rollenbildern
Gerade im kreativen Bereich findet man noch häufig dieses Bild vor: Frauen sind im operativen, aber auch im kreativen Bereich tätig und somit an der Basis und im Hintergrund, Männer treffen die Entscheidungen. Eine Quote bei der Besetzung von Führungspositionen kann hier durchaus Bewegung herbeiführen.Zeit für New Work
Viele Aspekte, die dem Bereich der New Work zugeschrieben werden, können dafür sorgen, dass eine Unternehmenskultur entsteht, in der Potenziale im Vordergrund stehen, die dadurch gesehen und gefördert werden können. Führungskräften kommt hier eine besondere Rolle zu: nämlich die Mitarbeitenden zu fördern, die Voraussetzungen zu schaffen, dass persönliche und berufliche Entwicklung stattfinden kann, Verantwortung zu delegieren und Kollaboration zu ermöglichen.Agenturen, die die Regeln von New Work kennen und können, werden es künftig leichter haben, sich am Markt zu behaupten. Denn ihnen sind Themen wie Gleichberechtigung und Diversität wichtig und folglich werden danach auch die Entscheidungsebenen besetzt.
Zeit für mehr Mut
Der dritte Aspekt betrifft die Frauen selbst. Wenn wir als Frauen mehr gesehen werden möchten als potentielle Entscheiderinnen, müssen wir uns auch zeigen und diese Positionen für uns einfordern. Wir sollten weg kommen von der Erwartung, „entdeckt“ zu werden hin zu mehr Selbst-Präsentation: „Hier bin ich und das kann ich“.
Ein Thema, das immer wieder genannt wird, ist die Ermöglichung von Teilzeitstellen. Laut Studie arbeiten 23% der untersuchten ArbeitnehmerInnen in Teilzeit. In der Geschäftsführung sind es nur noch 8%. Viele sehen Führungspositionen und Teilzeitstellen als nicht vereinbar. Wo ist das Problem?
Kerstin: Meines Erachtens wird sich noch zu häufig an den Mythos geklammert, nur wer viel und lang arbeitet, kann gut führen. Zum einen gibt es nicht DIE Teilzeit. Es gibt so viele unterschiedliche Teilzeitmodelle und auch ein 30-Stunden-Job fällt unter Teilzeit, obwohl er nur unwesentlich unter die Arbeitszeit einer vollen Stelle fällt. Zum anderen finde ich den Zusammenhang zwischen der Anwesenheitszeit und der Eignung für eine Führungsposition völlig überholt. Wer seinen Mitarbeitenden vertraut, muss als Führungskraft nicht rund um die Uhr anwesend sein. Hier zählen vielmehr Mut zum Delegieren, Vertrauen in die eigenen Mitarbeitenden, gute Teamorganisation, Kollaboration und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Jobsharing ist übrigens so ein neuer Weg: warum muss die Führungsposition nur von einer Person wahrgenommen werden?
Übrigens hat genau dazu eine Versicherung in Großbritannien gemeinsam mit Verhaltensforschern 2019 einen Versuch gewagt: Ein Jahr lang wurde bei der überwiegenden Zahl der ausgeschriebenen Stellen der Vermerk ergänzt, dass man bei der entsprechenden Position „offen für Teilzeit, Vollzeit oder Jobsharing“ sei. Das Ergebnis: Die Zahl der Bewerbungen stieg von Frauen und Männern und, was doch sehr in die Richtung des oben gesagten geht, die Zahl der Einstellungen von Frauen in Führungspositionen stieg um 33%. Ich finde, dieses Beispiel könnte sehr gerne Nachahmer finden…
Oft wird Frauen gut gemeint gesagt, dass sie selbstbewusster und „lauter“ und „sichtbarer“ werden sollen. Aber laufen wir da nicht nur wieder dem männlichen Ideal eines „extrovertierten Machers“ nach? Damit werden ja keine Vorurteile abgebaut, sondern eher noch manifestiert. Zumal es auch genug Männer gibt, die ruhig und introvertiert sind.
Kerstin: Das ist eine sehr gut formulierte Frage. Eines sei vorweg gesagt: Frauen sollen keine (besseren) Männer werden und umgekehrt. Und es gibt selten die typische Frau oder den typischen Mann.
Sichtbarkeit ist ein Wort, das gerade in der letzten Zeit oft gehört und gelesen wurde. Es wird oft in Verbindung gebracht mit „personal branding“. Im Grunde geht es schlichtweg darum: mich und meine Kenntnisse und Fähigkeiten zu zeigen und bekannt zu machen. Für mich ist das eine wichtige Voraussetzung, um seinen oder ihren Beitrag dazu zu leisten, an die entscheidenden Positionen zu kommen. Dabei ist es meines Erachtens nicht entscheidend, ob ich besonders laut bin oder von einer Bühne zur anderen tingele und mein Thema rauf und runter vortrage. Vielmehr kommt es doch darauf an, mir selbst im Klaren darüber zu werden, wohin ich eigentlich möchte und wen ich auf mich und meine Fähigkeiten aufmerksam machen möchte. Ohne ein Stückweit Eigenwerbung funktioniert es nicht. Dann wären wir auf dem Level „Finde mich!“ oder „Entdecke mich!“. Aber es muss nicht gleich das eigene Logo oder die eigene Website sein. Es geht auch anders.
Um selbst sichtbarer zu werden haben sich für mich diese drei Kriterien bewährt:
1. sich zeigen – zum Beispiel über ein Profil in den sozialen Medien und hier durchaus aktiv sein
2. sich vernetzen – Netzwerke sind wahre Wunder, wenn es darum geht, die richtigen Menschen zu treffen, die einen entweder fördern können oder sogar mit Entscheidern zusammenbringen
3. mutig sein – ich kenne noch das alte Sprichwort „Von nichts kommt nichts“. Ich muss auch im richtigen Moment mal „Hier!“ rufen oder mich trauen, meine Bewerbung ins Spiel zu bringen.
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