Spezialeffekte sind mehr als ein großes Feuerwerk. Man muss die Dramaturgie und Einbettung in das gesamte Event bedenken, denn „die Show fängt bereits beim Eintreffen der Gäste an“, sagt Markus Katterle. Wie werden Blicke geführt, welches Medienbild will ich erzeugen, was passt zum Kunden und den Inhalten?
Als Geschäftsführer der Flash Art Special Effects & Show Design GmbH, Regisseur, Designer und Consultant hat Markus Katterle bereits zahlreiche Inszenierungen und Multimedia-Shows realisiert. Im Interview spricht er über die Konzeptentwicklung, technische Möglichkeiten und den dramaturgisch richtigen Einsatz von Spezialeffekten.
» Interview-Reihe aus dem Buch „Alles nur Theater“
Interview: Markus Kattelere, Geschäftsführer der Flash Art Special Effects & Show Design GmbH, über die Dramaturgie von Spezialeffekten!
Das Interview führte Wolf Rübner, Mitautor des Buches “Alles nur Theater”.
Wolf Rübner: Wie entwickelt man das Konzept für eine Open-Air-Show?
Markus Katterle: Die erste Frage zielt darauf ab, was braucht der Kunde? Was ist das für ein Kunde? Welchen Stil pflegt er, was möchte er kommunizieren? Die zweite Frage betrifft das Medium – es gibt große Unterschiede, wenn ich mit reiner Pyrotechnik arbeite, ist die didaktische Kommunikation begrenzt, ich kann mit einem Logo arbeiten, ich kann mit einem Feuerbild arbeiten. Doch im Fall von richtigem Content brauche ich andere Medien dazu: z.B. Projektion. Der Laser eröffnet phantastische Möglichkeiten: ich kann Grafiken einsetzen und animieren, ich kann Schriften und Inhalte darstellen, kann ganze Geschichten erzählen. Man kann diese Bilder auf Wasserflächen projizieren und es endet dann bei kompletten Video-Projektionen.
Wenn man weiß, was der Kunde will, kann man ein Storyboard entwickeln. Das Storyboard braucht nicht nur einen roten Faden, sondern auch eine Dramaturgie. Wir überlegen, wie eine Geschichte funktioniert, wir überlegen auch, wie eine Spannungskurve hineinkommt. Zum Beispiel brauche ich vor dem Finale ein retardierendes Moment, bei dem die Spannung runtergeht. Man braucht romantisch-poetische Momente, man braucht spannende Momente, oder man braucht hoch präzise Sequenzen, die weniger emotional als technisch hart und klar sind.
Es kommt entscheidend auf die Inhalte an. Wenn man abgestimmt hat, was der Stil des Kunden ist, kann man sich an den Soundtrack machen. Der Soundtrack ist die Grundlage für die gesamte Inszenierung. Der Soundtrack liefert den roten Faden, den gesamten Zeitablauf. Auf den Emotionen des Soundtracks inszeniert man, auf den Takt der Musik. Das was in der Musik steckt, müssen wir transparent machen. Wenn ich nur jeden Cue bediene, aber keine Struktur habe, dann erklärt sich dem Zuschauer das Bild nicht. Da die Bilder sehr komplex und auch sehr groß sind, ist es sinnvoll, Bilder auch zu wiederholen.
WR: In welchem Verhältnis stehen Kunst und Handwerk?
Markus Katterle: Nehmen Sie einen japanischen Schmied, der Schwerter schmiedet. Ist das ein Handwerker oder ein Künstler? Natürlich ist viel Handwerk bei uns dabei. Das geht los mit der Sicherheit, mit Kenntnis der technischen Parameter. Was nützt es, sich eine Inszenierung zu überlegen, die hinterher nicht sauber technisch umgesetzt werden kann, die Risiken birgt, für die das Material so nicht vorhanden ist? Das Handwerkliche hat einen hohen Anteil, nicht nur bei uns.
Nehmen Sie einen Licht-Designer, der muss seine Tools auch sehr genau kennen. Man muss haargenau wissen, was die Pulte können, wie der Produktionsablauf funktioniert, wie man Zuverlässigkeit und Sicherheit hineinbekommt. Das Gleiche haben wir auch. Dann kommt die Mischform, welche Effekte setze ich ein? In der Kreation überlege ich, welche Werkzeuge stehen mir zur Verfügung, was sind meine Farben, was sind meine Stifte und Pinsel? Die Kunst beginnt dort, wo wir uns mit der Emotionalität der Musik auseinandersetzen. Um sie abzubilden, zu konterkarieren, zu verstärken – mit pyrotechnischen Effekten.
Dann kommt es nicht nur darauf an, wann ich Cues setze, sondern jeder Effekt hat ja verschiedene Dimensionen: eine akustische, eine optische, eine sicherheitstechnische Dimension. Er hat eine grafische Dimension in Form, (von) Größe und Höhe. Wenn ich staffeln will, muss ich überlegen, welche Effekte verwende ich? Aus welchen Rohrlängen schieße ich die, damit hinterher ein Bild entsteht?
WR: Welche Rolle spielen heutzutage Technik und Technologie?
Markus Katterle: Technik und Technologie spielen eine überragende Rolle. Wenn ich mir überlege, wie wir angefangen haben: da gab es noch analoge Tonträger. Da bin ich auf den Platz gegangen und habe vorher mit der Hand die Zeiten gestoppt. Heute ist alles digital und auf den Bruchteil einer Sekunde genau. Heute haben wir spezielle Funksysteme, damit gibt es ganz andere Möglichkeiten, was Reichweiten und Größenordnungen betrifft. Und das bei einer zentralen Show-Kontrolle! Das Schöne ist, dass ich eingreifen kann. Zum Beispiel wenn pyrotechnische Delays aufgrund von hoher Luftfeuchtigkeit etwas langsamer arbeiten, dann das Delay wegen der Windverzögerung nicht klappt nicht, weil ein so feuchter Tag ist, können wir heute in einem laufenden Showprogramm die Offsets verschieben. Auf die Art und Weise kann man Zündzeitpunkte anpassen. Wenn man aber dazu mit 15 Leuten per Funk reden muss, lässt man das einfach durchlaufen.
Das Gleiche ist es bei Sicherheitsgruppen: Wenn ich sehe, da kommt ein heftiger Wind auf und es könnte etwas schiefgehen, gefährlich werden, dann nehme ich mit einem Knopfdruck die eventuell gefährlichen Effekte raus, weil das vorher einprogrammiert worden ist. Das ist auch bei Stadion-Shows so. Da gibt es Zuschauerbereiche oder Eingänge, die ich auf Knopfdruck aussparen kann, weil da Personen unvorhergesehen herumlaufen.
Wir haben vor kurzem in Dubai ein musiksynchrones Feuerwerk über 6,5 Kilometer geschossen. Das ist mit der neuen Technik möglich, was früher undenkbar war. Das andere sind künstlerische Optionen – man kann viel mehr cuen, kann viel präziser sein. Wir können mittlerweile GPS-Signale synchronisieren, also über die Reichweite von Funksignalen hinaus unsere Zündsysteme synchronisieren. Wenn also rund um New York ein Feuerwerk stattfinden soll, dann können wir das auch.
WR: Was bedeutet Dramaturgie für Sie persönlich?
Markus Katterle: Natürlich ist Dramaturgie viel Gefühl, viel Emotion, aber auch ein Stück weit Handwerk. Jeder, der inszeniert, weiß, wie lange Stille ausgehalten werden kann, wie eine Eröffnung gestaltet werden muss, wie die Blicke geführt werden können. Die Show fängt aber bereits beim Eintreffen der Gäste an. Wie führe ich die Leute? Sitzen sie beim Dessert und ich sage ihnen, jetzt guckt mal aus dem Fenster, da gibt es jetzt ein Feuerwerk – das wäre eher peinlich!
Man hat jede Menge Erfahrungswerte. Wir haben angefangen, Soundtracks musikalisch durchgängig zu produzieren. Also nicht mehr ein Stück und dann das nächste Stück. Ich habe dann aber die Erfahrung gemacht, das die Leute bei einer Multimedia-Inszenierung oder auch bei einem Feuerwerk überfordert sind. Die Leute wollen wie bei einem Theaterstück klatschen oder Luft holen, den inneren Vorhang auf- oder zuziehen, um wieder aufnahmebereit zu sein.
Ich muss mir als Dramaturg die Frage stellen, wann ich einen Overkill an Eindrücken erzeuge. Ich muss mir Gedanken darüber machen, wie ich bestimmte Momente vorbereite. Oder bei Public Events, wo ist das Medienbild, das ich erzeugen will, das um die Welt geht? Wo sitzen die Fotografen und die Kameraleute? Auch das muss man bei der Inszenierung berücksichtigen. Das besprechen wir vorher mit den Kameraleuten und dem TV-Regisseur. Dramaturgie ist, wie man an diesem Beispiel erkennt, eine Mischung ebenso aus Handwerk wie aus Kreativität.
WR: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Markus Katterle: Ein entspanntes Verhältnis der Deutschen zu Show und Entertainment! Dann könnten wir an großartige Traditionen wie in den USA und Frankreich anknüpfen, die ihren Nationalfeiertag in großem Stil öffentlich inszenieren und damit eine große Wirkung nach innen und außen schaffen.
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