Man könnte meinen, dass eine kritische Einstellung gegenüber virtuellen Events eine Frage der Generation ist. Je älter desto kritischer. Doch sachliche Kritik ist keine Frage des Alters. Auch Christine Hartwig als jüngere Freelancerin für Konzeption und Szenografie klingt noch nicht überzeugt von den aktuellen digitalen Erlebnisformaten. Natürlich sieht sie einen Nutzen, Mehrwert und auch eine Zukunft für virtuelle Events, aber noch machen sie ihrer Meinung nach keinen Spaß – und wenn dann am ehesten als Games.
Die COVID-19 Pandemie feiert derzeit ein bedrückendes Jubiläum: schon ein Jahr hält uns das Virus in Atem! Neben all den negativen Nachrichten und Problemen konnten wir aber auch viel lernen, wurden überrascht und von neuen Ideen fasziniert. Wir haben das zum Anlass genommen, verschiedene Menschen aus der Live-Kommunikation nach ihren Erfahrungen, Einschätzungen und Aussichten zu fragen.
Interview mit Christine Hartwig über virtuelle Events, Gaming und Nähe trotz Distanz
Was war das für dich spannendste digitale oder coronakonforme Erlebnis?
Das spannendste coronaconforme Erlebnis war ein (gemischter) Junggesellenabschied – eine Privatparty in einem verlassenen Hotel von Freunden. Wir wussten vorab: In der Truppe war eine Ärztin mit Schnelltests für alle. Leider nichts in Richtung Virtuelle Räume.
Digitale Erlebnisse finde ich in Form von Games spannend, aber das 1:1 Übertragen eines Live-Events auf eine digitale Plattform macht noch keinen Spaß.
Denkst du denn, dass das Übertragen eines Live-Events in den digitalen Raum überhaupt möglich oder sinnvoll ist? Müssen es nicht vielmehr zwei ganz differenziert betrachtete Disziplinen oder Blickrichtungen sein?
Ich denke nicht, dass das möglich ist. Zum einen ist da natürlich die reduzierte Ansprache der Sinne. Aber auch zwischenmenschlich gibt es einen Leck: zufällige Begegnungen auf dem Weg zur Bar und Micro-Ereignisse außerhalb des Programms passieren eben nur auf Live-Events.
Trotzdem können hybride oder virtuelle Events sehr sinnvoll sein, alleine schon wegen ökologischer und ökonomischer Aspekte. Und wenn wir uns Nutzen und Ziele klarmachen, dann werden sich digitale oder hybride Events in Zukunft zu einem echten Mehrwert, und ja, auch einer eigenen Disziplin in der Kommunikation entwickeln.
Was sind die deiner Meinung nach grundsätzlich vielversprechendsten Ansätze digitaler Erlebnisformate?
Gaming, Gaming, Gaming. In meinem Freeelancer Dunstkreis bekomme ich mit, wie große Messen mit der Unreal Engine in einer Erlebniswelt gebaut werden. Das funktioniert ganz gut. Die Menschen müssen nicht aus aller Welt anreisen und haben neben dem Business noch ein bisschen Spaß.
Aber auch hier: Was bleibt auf der Strecke? Der persönliche Kontakt. In einem Video-Call ist es unmöglich sich gegenseitig zur gleichen Zeit in die Augen zu schauen. Und das ist es ja, was wir brauchen um uns zu verstehen, um Geschäfte zu machen und Vertrauen aufzubauen.
Wo wir schon Gaming Software benutzen. Wären Game-DesignerInnen nicht auch die besseren KonzeptionerInnen für Online-Events? Sie verstehen digitale Wirkungsweisen und Erlebnisse vermutlich noch am besten.
Ich glaube, es ist immer gut, die Köpfe unterschiedlicher Disziplinen zusammenzustecken und wenn es für das digitale Event sinnvoll ist Gaming Elemente einzubinden, dann erst recht.
Was hast Du aus den Erfahrungen mit digitalen Erlebnisformaten gelernt? Haben sie Deine Sichtweise als KonzeptionerIn irgendwie verändert?
Ja, mir ist nochmal bewusst geworden, wie wichtig das, was wir machen, ist.
An welchen Projekten arbeitest Du gerade? Gehst Du sie aufgrund von Corona anders an?
Ich arbeite gerade digital, als UX-Designerin für Exponate und bin außerdem dabei an einer Live-Veranstaltung mitzuwirken. Da geht es ganz viel darum, wer wann wo ist, mit wie viel Abstand, aber vor allem darum, wie wir es schaffen, Nähe bei den TeilnehmerInnen mit einer vorproduzierten Performance herzustellen. Ohne dass es dabei in einer LED-Schlacht ausartet. Das ist eine ziemliche Herausforderung.
Nähe erzeugen bei gleichzeitigem Abstand, das wird künftig – wenn Veranstaltungen wieder möglich sind – sicherlich ein zentrales Thema sein. Welche Ansätze und Ideen verfolgt ihr, um das zu erreichen?
Wir haben uns viele Gedanken über eine stimmige Anordnung der Elemente im Raum gemacht. Zugunsten einer intimen, kreisförmigen Sitzordnung, haben wir einen Teil der Gäste in einer zweiten Ebene platziert. Natürlich spielt das Licht eine große Rolle, indem es den Raum optisch ausfüllt und Atmosphäre erzeugt. Vor allem bekommen die agierenden Figuren in so einer luftigen Leere eine noch gewichtigere Bedeutung. Da können wir mit gewissenhaft gewählten Laufwegen und kleinen Gesten viel bewirken.
Christine, danke für Deine Sicht und Erfahrungen!
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