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Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement: Praxisbeispiele, Konzepte und aktuelle Bedeutung – Buchrezension

Von Katharina Stein 14.3.2016 ~6 Minuten Lesezeit

„Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement – Green Meetings als Zukunftsprojekt für die Veranstaltungsbranche“ – so titelt ein von Markus Große Ophoff herausgegebenes neues Buch. Es ist eine Sammlung von Beiträgen verschiedenster Autoren. Im ersten Teil werden zentrale Konzepte und Instrumente besprochen – von Umweltmanagement über Catering bis zu Technik. Der zweite Teil besteht aus Praxisbeispielen und Erfahrungsberichten von Projektverantwortlichen. Ein Buch, das vielversprechend klingt, es aber leider nur in Teilen ist.

Markus Große Ophoff habe ich über die Greenmeetings und Events Konferenz als kompetenten, kritischen und engagierten Nachhaltigkeits-Vertreter kennen gelernt. Genau das hat mir sehr gut gefallen, denn genau das braucht dieses wichtige Thema! Sein Buch fand also gleich mein Interesse. Doch leider wurde ich etwas enttäuscht. Denn so konstruktiv kritisch und transparent, wie ich ihn und seine Vorträge erlebt habe, ist dieses Buch nur in manchen Artikeln. Der eine oder andere Teil und Beitrag des Buches hinterlässt einen Beigeschmack – nach PR für einschlägige Verbände, Angebote sowie werbliche Interessen mancher Autoren. Ich persönlich halte eine konsequentere Abgrenzung, gerade in diesem Themenbereich, für wichtig.

Praxisbeispiel Evangelischer Kirchentag

Allerdings können einige Autoren den Gesamteindruck wieder herumreißen! Darunter Jobst Kraus, Christof Hertel und Enno Nottelmann, die den „Evangelischen Kirchentag als Beispiel für nachhaltige Großveranstaltungen“ beschreiben. Das regelmäßige Großevent mit rund 100.000 Besuchern hat schon 2003 ein umfassendes Umweltmanagementsystem eingeführt, mit dem ein lückenloser Überblick über Umweltauswirkungen, Maßnahmen, Pläne und Zielerfüllungen praktiziert wird.

Die nachhaltige Ausrichtung sowie die Maßnahmen beginnen schon weit vor dem Event und gehen über klassische Stellschrauben hinaus. So hat die Geschäftsstelle mit fast 100 Mitarbeitern beispielsweise nur vier Dienst-Autos, aber 20 Dienstfahrräder. Um den Benzinverbrauch nicht nur aus logistischer, sondern auch aus menschlicher Sicht während des Kirchentags zu reduzieren, nahmen alle Fahrer von PKWs und LKWs an Spritsparkursen teil.

Desweiteren wird für den Kirchentag an einem umfassenden, klimafreundlichen und nachhaltigen Verpflegungskonzept gearbeitet – mit möglichst regionalen und saisonalen Produkten aus ökologischer Produktion und mit wenig oder gar keinem Fleisch. Die Frühstücksverpflegung der Teilnehmenden hat mittlerweile einen Bio-Anteil von 79,9%! Die jeweiligen Anteile und Entwicklungen an u.a. Bio-Produkten, regionalen Zutaten und vegetarischen Speisen wird genauestens dokumentiert und im Buch auch transparent veröffentlicht. Auch die, in denen noch deutliches Verbesserungspotential steckt!

Ebenso gründlich und transparent zeigen sich die Veranstalter in allen anderen Gewerken. Interessant sind auch die offen und ehrlich angesprochenen Konflikte und Probleme, die bei der Organisation auftreten. Ein aufschlussreicher und anspornender Einblick, der zeigt, wie viel tatsächlich machbar ist!

Studienergebnisse: Verständnis und Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Veranstaltungsbranche

Interessant ist ebenfalls der Beitrag „Nachhaltige Veranstaltungen statt ‚Green Meetings'“ von Jan Drengner und Kai-Michael Griese. In ihrem Artikel beschreiben sie die Ergebnisse einer empirischen, aber nicht repräsentativen Studie unter 145 Veranstaltungslocations. Inhaltliches Ziel war es, ein „differenziertes Bild über das Verständnis und die Bedeutung des Konzepts der Nachhaltigkeit gemäß des Drei-Säulen-Modells in der Veranstaltungsbranche zu gewinnen“. Bei den Ergebnissen sollte man jedoch bedenken, dass sie sich auf eigene Angaben der Locations beziehen!

Wenig überraschend: die meisten assoziieren mit dem Begriff der Nachhaltigkeit mehrheitlich den ökologischen Part. Bei der Frage nach dem Grad der Erfüllung verschiedener Kriterien aller drei Säulen, gehören aber vor allem ökonomische und in Teilen soziale Aspekte zu den nach eigenen Aussagen erfüllten Maßnahmen. Wie z.B. wirtschaftliche Stabilität (87,1%) und Zusammenarbeit mit regionalen Dienstleistern (64,6%). Aspekte, die direkt oder indirekt mit dem wirtschaftlichen Erfolg zusammenhängen, aber sich eben auch (zufällig?) mit Nachhaltigkeit überschneiden. Ökologische Maßnahmen wie die Nutzung wiederverwendbarer Produkte und Materialien (35,9%), die Unterstützung sozialer Projekte (21,6%) oder das Angebot fair gehandelter Speisen und Getränke (17,9%) gehören zu den deutlich seltener als erfüllt angegebenen Kriterien.

Der konkrete Anteil „nachhaltiger Veranstaltungen“ im jeweiligen Haus, gemessen an allen jährlich durchgeführten Events, beträgt bei 45,2% der Teilnehmer weniger als 10%. Für die gesamte ausgewählte Stichprobe liegt der Wert bei knapp 30%! Auch hier sollte man im Kopf behalten, dass jeder Teilnehmer eine eigene Definition und Vorstellung einer „nachhaltigen Veranstaltung“ hat.

Die Studie stellt auch die Frage, welche Kriterien zur Auswahl einer Location für den Kunden am wichtigsten sind – aus Sicht des Befragten. Ökologische Nachhaltigkeit findet sich dabei traurigerweise auf dem letzten Platz! Dicht gefolgt von sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit. Alle drei rangieren in der neutralen Mitte zwischen „sehr wichtig“ und „völlig unwichtig“. Am wichtigsten sind Erreichbarkeit, Räumlichkeiten und das Preis-Leistungs-Verhältnis.

Gründe, warum sich eine Location nachhaltig aufstellt, findet man vornehmlich in der Philosophie. Unter den genannten Gründen steht Nachhaltigkeit als „Teil unseres Selbstverständnisses“ deutlich an erster Stelle. Mit einem Abstand folgen erhoffte Kosteneinsparungen und der Wettbewerbsdruck. So wie es auch häufig mein Eindruck ist, Nachhaltigkeit ist eher eine Frage der Einstellung und weniger der „Anreize“. Der Anreiz nichts oder wenig zu tun, ist aktuell noch größer.
Übrigens steht der Grund, dass Kunden Nachhaltigkeit fordern, an letzter Stelle. Aus dieser und der vorherigen Antwort (Auswahlkriterien für Kunden) kann man wohl schlussfolgern, dass eine große Nachfrage bzw. ein großer Druck von Kundenseite anscheinend nicht spürbar sind.

Weitere interessante Artikel sind unter anderem (und meiner Meinung nach): „Nachhaltige Veranstaltungstechnik“, „Nachhaltiges & Ökologisches Catering“, „Papierlos Tagen“, „Nachhaltigkeit auf dem Wacken Open Air“, „Energy Efficient Eurovision Song Contest“ und „Grün tagen in Osnabrück“.

Fazit

Das Buch „Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement“* gibt mit einigen Gastartikeln einen sehr interessanten und wertvollen Einblick in die aktuelle Praxis nachhaltiger Events. Jedoch ist mein Eindruck gespalten, da manche der Beiträge mit Bedacht zu lesen und selbst kritisch zu hinterfragen sind! Hier und da verstecken sich meinem Empfinden nach individuelle PR- oder Marketing-orienterte Interessen. Wer meint, diese herausfiltern und in Kauf nehmen zu können, kann von den vorhandenen guten Vorbildern und Anregungen viel lernen!

Fotos: eveosblog.de

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