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Wundertüte Anonyme Bewerbung – Ein Kommentar

Von Wolf Rübner 13.6.2012 ~3 Minuten Lesezeit

Als Kind war ich immer ganz gespannt, was wohl in der Wundertüte (Vorläufer des Ü-Ei) sein würde. Das war mit 10 Pfennig ein billiges Vergnügen und machte man am liebsten vor der Schule. Heute können Personalverantwortliche auf freiwilliger Basis, allerdings wesentlich teurer, sich mit Bewerbungswundertüten amüsieren. Z.B. mit geschwärzten Lebensläufen oder mit einer entsprechend standardisierten Online-Bewerbung.

Black Power mal anders

Stellen Sie sich vor, Sie bekommen eine geschwärzte Bewerbung – ohne Namen, ohne Foto, ohne Geschlecht, ohne Altersangabe. ??? Genau, was soll das? Eingetütet hat diese Geschichte die Anti-Diskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Lüders, die kürzlich das Ergebnis einer diesbezüglichen Studie vorstellte. Teilgenommen haben einige Großunternehmen wie die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, L’Oreal und einige staatliche Arbeitgeber. Die Ergebnisse wären sehr ermutigend, meinte Frau Lüders, von den 8.550 Inkognito-Bewerbern seien 1.293 eingeladen und 246 tatsächlich eingestellt worden, die sonst kaum eine Chance gehabt hätten. Zieht man den Neugiereffekt bei den Personal-Chefs ab, bleibt von der tollen Quote vermutlich nicht viel übrig. Ohnehin ist die Studie auch aus anderen Gründen methodisch sehr fragwürdig. Das publizistische Tamtam war allerdings recht groß, weil Journalisten nicht in empirischen Sozialwissenschaften ausgebildet sind.

Pro & Contra

Wenn ich ehrlich bin, muss ich mich innerlich zur Ordnung rufen, wenn ein Bewerber oder eine Bewerberin farbig, asiatisch oder schon älter ist. Zahlreiche Studien belegen dass Randgruppen und Minderheiten unter Sexismus, Rassismus, Behinderten-Phobie und Jugendwahn zu leiden haben. Niemand kann sich von Vorurteilen freimachen, aber als Personalverantwortlicher gehört es zu meinen Aufgaben, in Anforderungsprofilen zu denken, die Erwartungen von Kunden zu berücksichtigen und die Erkenntnisse der Arbeitspsychologie anzuwenden. Dazu zählen u.a. Vielfalt (Diversity), eine gute Mischung aus Jung und Alt, ggf. Internationalität. Manche Agenturen vermelden stolz „bei uns werden 16 Sprachen gesprochen“.

Aus der Perspektive des Bewerbers – ich fände die gesichtslose Bewerbung eine Zumutung. Ich möchte mich nicht verstecken und möchte meine Persönlichkeit in die Waagschale werfen. Im Dienstleistungsbereich ist das Erscheinungsbild eine wichtige Komponente der Gesamtbeurteilung.

Die Leser der Online-Ausgabe der FAZ kommen bei rund 10.000 Stimmabgaben zu dem überwältigenden Ergebnis (64%), dass eine anonyme Bewerbung nicht gut ist. Die w&v startete eine Umfrage unter HR-Verantwortlichen von Agenturen – der Tenor: Das ist für uns irrelevant, wir denken differenziert, im Agentur-Bereich zählt aus-schließlich die Qualität des Bewerbers.

Fazit

Zum Glück soll es bei der Freiwilligkeit bleiben, alles andere wäre ein Eingriff in die Vertragsfreiheit. Political Correctness verführt manchmal zur Schwammigkeit und zu Schwarz-Weiss-Denken im Sinne von „wir sind die Guten“. Vergessen wir nicht, eine Anti-Diskriminierungsbehörde muß natürlich den Nachweis ihrer Daseinsberechtigung führen. Das verstehe ich sehr gut, im vorliegenden Fall würde ich es Schildbürgerstreich nennen.

P.S. Fast alle Teilnehmer an der Pilot-Studie verzichten in Zukunft auf anonyme Bewerbungen.

Foto: complize / photocase

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