Genau heute feiert Wolf Rübner, Gründer des EventCampus, ein seltenes Jubiläum: bereits seit 30 Jahren arbeitet er in und mit der Eventbranche! Wenn man überlegt, dass die professionelle Eventbranche noch gar nicht so alt ist, hat er somit fast den kompletten Werdegang unserer Branche miterlebt! Und was ist spannender als jemanden, der all die Entwicklungen der Eventbranche miterlebt hat, genau nach diesen zu fragen: was hat sich in den letzten 30 Jahren im Eventmarketing verändert – hat sich überhaupt etwas verändert…?!
Über Wolf Rübner: Als studierter Wirtschaftswissenschaftler hat Wolf Rübner verschiedene Seiten und Positionen der Eventbranche kennengelernt. Er war nach dem Studium zunächst Unternehmensberater bei der BBE-Nordrhein. Am 1. Februar 1983 begann er in einem Dortmunder Verlag die Organisation einer Großveranstaltung in der Dortmunder Westfalenhalle. Danach war er geschäftsführender Gesellschafter von Katz LaserShow GmbH und 14 Jahre Mitglied der Geschäftsleitung bei der kogag. Seit 2002 berät er Agenturen, Messebauer und Dienstleister zu Marketing und Personal. Sein Schwerpunkt liegt heute im Recruitment von Fach- und Führungskräften für die Live-Kommunikation.
Interview mit Wolf Rübner über 30 Jahre Eventmarketing
Wie sah Eventmarketing typischerweise vor 30 Jahren aus?
Wolf Rübner: Zunächst, das Wort Eventmarketing kannte man gar nicht. Die Veranstaltungen waren weniger interaktiv, weniger didaktisch ausgelegt, wir benutzten eine vergleichsweise primitive Video- und Computertechnik, aber sonst sehe ich kaum Unterschiede.
Welche Aspekte haben sich seither am meisten verändert?
W.R.: Früher genügte es, wenn das Essen heiß warm und es genug Alkohol gab. Dann kam die Phase, in der Inhalte wichtig wurden. Danach die Zeit, als die Vermittlung der Inhalte im Zentrum stand. Heute erleben wir die stärkste Veränderung durch die Integration des Internets in die Live-Kommunikation. Die Verlängerung der Veranstaltung in den virtuellen Raum mit seiner enormen Beschleunigung und den Interaktionsmöglichkeiten ist für mich der größte Unterschied zu den frühen Jahren.
Anzuführen ist auch die bizarre Pitch-Praxis der Industrie, das ist zutiefst menschen-verachtend. Das hat auch nichts mit kaufmännischen Verhalten zu tun, im Gegenteil. Rechnet man die internen Kosten hinzu, ist es eine enorme Verschwendung von Ressourcen im Unternehmen und den Agenturen bzw. Dienstleistern. Dieses Verhalten kann man nur als schizophren bezeichnen.
Negative Folgen hat die enorme Beschleunigung der Prozesse, eine Folge der Echtzeit-Kommunikation via Smartphone etc. Da blitzschnelle Information möglich ist, verschiebt oder ändert man Entscheidungen nach Belieben. Die hierarchischen Strukturen der Großunternehmen behinderten schon immer schnelle und valide Entscheidungen. Die Online-Medien haben die Situation verschärft.
Welche Punkte haben sich wiederum kaum geändert?
Man darf sich nicht mit dem Zweitbesten zufrieden geben. Die Menschen haben sich nicht verändert. Das Essen muss heiß, die Getränke kalt sein. Die dramaturgischen Spielregeln gelten immer noch, das empfinde ich als beruhigend.
Was waren denn so Dinge, die Sie im Laufe Ihrer Laufbahn am meisten verärgert haben?
Das Perfideste war die Ausschreibung der Siemens AG für eine Konzern-Einkaufsplattform
Es war sadistisch. Es kostete viel Zeit, Geld und Nerven, sich den Status eines ‚Preferred Suppliers‘ zu erwerben. Ohne jedoch einen Anspruch zu erwerben auf eine Ausschreibung, geschweige denn, einen Auftrag zu erhalten. Wir mussten jedoch mitmachen, weil Siemens bereits ein Kunde der kogag war.
Und Ihre beruflichen Highlights? Woran erinnern Sie sich gerne zurück?
Ja, kommen wir zu den Anekdoten. Mein Lieblingskunde arbeitete beim Daimler in der PKW-Presse. In schwierigen Situationen tröstete er sich und mich mit einer simplen Weisheit: „Wenn wir etwas Vernünftiges gelernt hätten, müssten wir uns jetzt nicht so quälen. Wenn’s einfach wäre, würden es andere machen!“ Er war ein Profi und ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle.
Gleicher Kunde, anderer Gesprächspartner – der Chef-Einkäufer ‚Dienstleistungen‘. Der sagte mir beim Abschluss eines Rahmenvertrags auf den Kopf zu: „Ich rechne Ihnen in drei Minuten vor, dass Sie vom Honorar allein nicht leben können.“ Er hatte recht.
Mein Lieblings-Event ist das 50jährige WÜRTH-Jubiläum 1995. Ein wunderbarer Kunde, der uns vertraute. Und ich durfte Bekanntschaft machen mit dem Stuttgarter Ballett und Justus Frantz mit der Philharmonie der Nationen. Ich habe enorm viel gelernt, durfte einem ehemaligen Bundespräsidenten (von Weizsäcker) die Hand schütteln und den lustigsten Moment meiner Karriere erleben.
Stellen Sie sich folgendes vor: Hanns-Martin-Schleyer-Halle Stuttgart, 8.000 Gäste. Die Veranstaltung dauerte schon zweieinhalb Stunden ohne Unterbrechung, die Leute hatten Hunger und Durst und erwarteten sehnsüchtig das Ende. Als Schlusspunkt war ein Auftritt von Christo und seiner Frau vorgesehen, die mit Reinhold Würth befreundet waren. Großes Hallo auf der Bühne, Christo’s Frau ergreift das Mikrofon und sagt: „I have prepared a little speech for our dear friend Reinhold. Only 45 minutes, you will enjoyed it – but not today.“ Orkanartiger Beifall der 8000 vor lauter Erleichterung.
Heute wünschen wir uns oft ein bisschen mehr Menschlichkeit und persönlichen Bezug – z.B. bei der Auswahl einer Eventagentur mithilfe der bereits angesprochenen Pitches. Wie war die Situation diesbezüglich früher? War so eine gewünschte Menschlichkeit bzw. Fairness überhaupt jemals da?
Eindeutig ja, ich habe das sogar bei Zentraleinkäufern erlebt. Der Daimler, aber auch BMW pflegten damals eine große Lieferantentreue. Im Mittelstand traf man stets auf faire Partner. Ein Pitch war früher keine Veranstaltung zur Demütigung von Agenturen und Messebauern.
Trotz aller Veränderungen wie z.B. der technischen Möglichkeiten, der allgemeinen Beschleunigung, der immer größer werdenden Kompetenzanforderungen usw. – was ist die im Eventgeschäft gebliebene Konstante?
Das Projektmanagement als solches. Der positive Stress, sich zu entwickeln, zu vervollkommnen, ständig etwas Neues zu lernen. Im Prinzip hat sich seit 2.500 Jahren nichts Wesentliches geändert: Ein Event ist eine erlebnis-orientierte Zusammenkunft von Menschen zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort, aus einem bestimmten Anlass, mit einem inszenierten Inhalt, der sich nach dramaturgischen Regeln abspielt. Das ist das ewig gültige Grundmuster, alles andere ist neumodischer Kram (lacht).
Mit Ihrer Branchenerfahrung, lässt es sich ja meistens auch ein bisschen besser in die Zukunft schauen. Was sind Ihre Prognosen für die nächsten Jahre im Eventmarketing? Wie wird sich die Branche entwickeln?
Der Zwang zu größeren Betriebseinheiten wird Aufkäufe, Fusionen etc. beschleunigen. Wir haben ja in den letzten 3 Jahren seit der großen Krise einige Übernahmen verzeichnet.
Die 360°-Kommunikation, das ist die Bespielung aller Kommunikationskanäle, wird sich verfeinern. Der Prototyp fand am 15. Januar 2009 in der Londoner Liverpool Station als ‚T-Mobile-Dance‘ statt. Auf youtube gab es seitdem über 35 Millionen Zugriffe.
Die Stadt als Bühne vielfältigster Event-Formate wird sich weiter in den Vordergrund schieben. Berlin 2009 mit den ‚Riesen‘ und London 2012 waren ein Vorgeschmack.
Event und Online verschmelzen zu einer unschlagbaren Symbiose von Effektivität und Effizienz der Kommunikation. Event steht für die Kontaktqualität, das Internet für die Reichweite.
Wenn Sie heute nochmal die Wahl hätten, sich einen Berufsweg und eine Branche auszusuchen, würden Sie sich wieder für die Eventbranche entscheiden und warum?
Unbedingt, das entspricht am besten meinen Fähigkeiten, nur müsste ich mich heute zwischen Kreation und Projektmanagement entscheiden. Ich hatte das große Glück, dass ich in beiden Welten lange genug gearbeitet habe, um einen gewissen Kompetenz-Level zu erreichen. Es macht mir Spaß, mit Menschen zu arbeiten und ständig vor neuen Aufgaben zu stehen. Das gibt es nur im Eventmarketing, denn ich habe zwei Leidenschaften: Event und Marketing.
Vielen Dank für das Interview!
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