Um den Energiebedarf von Festivals und Großevents nachhaltiger zu gestalten, eignet sich „grüner Feststrom“ am besten. Da das nicht überall möglich ist, kommen leider noch häufig Diesel-Generatoren zum Einsatz. Doch gibt es dafür praktikable und nachhaltige Alternativen? Genau das testet das Energieunternehmen EWE gemeinsam mit JOKE Event in der Praxis: mit dem EWE Festival-Kraftwerk. Eine Mischung aus erlebnisorientiertem Marken Festival-Stand und Praxistest für nachhaltige Energielösungen.
Das EWE Festival-Kraftwerk war und ist auf fünf Festivals zwischen Mai bis Juli 2023 unterwegs und testet, wie ein mobiler, energieautarker Ansatz für die Energieversorgung auf Festivals aussehen kann.
Getestet werden klimaschonende Energie-Module für 1- bis 3-Tages-Festivals: Neben erneuerbarer, direkt am Stand produzierter Energie über Solarpanele / Smartflower und Windkraftanlage kommen ressourcenschonende Energiespeicher mit grünem Wasserstoff und Brennstoffzelle sowie Batteriespeicher zum Einsatz. So können die eigenen Standflächen und auch Festivalinfrastruktur wie Gastro- oder Bühnen-Bereiche nachhaltig betrieben werden.
Markenerlebnis mit nachhaltigem Praxistest
„Bei der Planung der EWE Festivaltour 2023 war schnell klar, dass EWE nicht nur seinen eigenen Auftritt weitgehend klimaneutral gestalten will, sondern auch fachlicher Ansprechpartner für Veranstalter sein kann, wenn es um […] das Kernthema der „grünen Energieversorgung“ geht. So wurde die Idee des Festival-Kraftwerks geboren“, erzählt Nils Broenstrup, Leiter Markenführung und Live-Kommunikation bei EWE.
„Gemeinsam mit der Live Kommunikationsagentur JOKE Event AG haben wir ein interdisziplinäres Team aufgestellt, welches sich praxisorientiert mit der Zukunft der mobilen Energieversorgung beschäftigt und ausprobiert, was die Zukunft bringen könnte.“
Das Kraftwerk-Team recherchiert, prüft und begleitet den Test in der Praxis. Im Nachgang sind aber auch Impulsvorträge und Paneldiskussionen bei Branchen-Events sowie der Aufbau einer Plattform zum vernetzten Austausch geplant.
Die Herausforderungen erscheinen auf den zweiten Blick
Was auf den ersten Blick nicht besonders kompliziert wirkt, hat sich in der Praxis als schwierig herausgestellt, berichtet Daniel Masuhr, technischer Leiter der JOKE Event AG. „Die ganze Welt spricht von Speicherlösungen und Wasserstoff, aber die besonderen Herausforderungen, die dieses Projekt mit sich bringt, wurden erst auf den zweiten Blick und teilweise schmerzhaft sichtbar. Denn die notwendigen Technologien existieren überwiegend nur auf Papier, sind in der Realität aber schlichtweg nicht oder nur limitiert verfügbar.“
„Von rund 5 Unternehmen, die mit Wasserstoff-Stromerzeugern werben, konnte nur eine einzige (SFC Energy) ein solches Gerät auch wirklich liefern. Und auch dafür war ein besonderer Kraftakt nötig, denn das Gerät musste im Eilverfahren zugelassen werden. Und der grüne Wasserstoff muss 300km transportiert werden, da es bislang am Markt nur sehr wenig Angebot gibt.
Aber große Batteriespeicher für ein 3-tägiges Festival mieten, sollte kein Problem darstellen, dachten wir zu Beginn des Projektes. Auf fast allen Websites der großen Anbieter von mobilen Stromerzeugern finden sich Speicherlösungen in verschiedenen Größen und deren Vorteile werden lautstark beworben. In der Realität waren davon in Deutschland allerdings kaum Lösungen als Mietprodukte lieferbar. Die einzige Lösung, die von der Kapazität her geeignet und als Mietgerät lieferbar war, wird nun aus den Niederlanden geliefert.“
Es braucht Pioniergeist, höhere Budgets – und ein penibles Projektmanagement
Um die Praktikabilität von Technologien und nachhaltigen Lösungen tatsächlich einschätzen und bewerten zu können, müssen sie in der Praxis ausprobiert werden. Das bedeutet erst einmal ins Risiko gehen, viel Zeit und Geld investieren. Auch bei diesem Projekt, bestätigt Arne Heyen, der die Konzeption und Strategie bei JOKE Event leitet. „Wir akzeptieren die lange Reise vom Stromspeicher und grünem Wasserstoff, die enormen Kosten für die technischen Lösungen, die aktuell noch in keinem Verhältnis zum Diesel-Generator stehen, und deutlich mehr Arbeit im Vorfeld. Für „normale VeranstalterInnen“ sind diese Lösungen aktuell noch überhaupt nicht attraktiv.“
„Um in der aktuellen Situation die passenden Lösungen zu finden, braucht es vor allem Pioniergeist, Risikobereitschaft und ein deutlich höheres Budget für den Teilbereich Energieversorgung. Die dafür notwendige Motivation ist heute bei VeranstalterInnen nur sehr begrenzt festzustellen, was in meinen Augen – vor allem nach den Erfahrungen in diesem Projekt – durchaus nachvollziehbar ist.
Nachhaltigkeit ist zwar als Trend in der Branche durchaus angekommen, beschränkt sich aber überwiegend auf die Bereiche fernab der Energieversorgung und oftmals ist es auf den ersten Blick als „greenwashing“ zu identifizieren. Tagsüber Feuerwerk und zur Kompensation irgendwo nen Baum pflanzen.“
Neben dem Willen und Budget braucht es auch jemanden, der die Technologien und Möglichkeiten, aber auch die Kosten, Zeit und das Projektmanagement sehr genau im Auge hat. Beim EWE Festival-Kraftwerk ist das Janin Holz, Projektmanagerin bei JOKE Event. Sie hat einiges über regenerative Energiequellen gelernt, viele Lösungen kommen und gehen sehen. „Wir mussten mit unverbindlichen Kosten und teilweise mit nicht marktreifer Lösungen rechnen. Auch vor Ort ist es aufregend anders: Ich überwache die Notabschaltung der Windkraftanlage, die Energieproduktion, die Wettersituation, unsere Speicherkapazitäten und passe den Stromverbrauch daran an. Und da der Auftritt vor Ort auch seine Geschichte erzählen soll, muss auch sämtliches Personal am Stand deutlich mehr wissen und erklären können, als sonst üblich. Lächeln und ein Give away ausgeben reicht hier nicht.“
Nachhaltiges Design mit Erlebnisfaktor
Doch dieser Festival-Stand testet nicht nur Energielösungen, er soll auch ein mitreißendes Markenerlebnis sein. Entsprechend erlebnisorientiert und authentisch nachhaltig müssen das Konzept und Design sein. Dazu gehören die konsequente Verwendung zirkulärer Standmaterialien wie Metall, Holz sowie echter Pflanzen. Die fünf Festivals (Tante Mia Tanzt, Oldenbora, Hurricane, Deichbrand und Watt en Schlick) finden alle rund um die Heimatregion des Oldenburger Unternehmens EWE statt. Auch das ist eine bewusste Entscheidung im Sinne der Mobilitätsreduzierung und ganzheitlichen Nachhaltigkeit.
Frauke Bitterer aus der Konzernkommunikation von EWE betont, dass der Erlebnisfaktor bei diesem Projekt nicht zu kurz kommen darf. „Neben dem sehr ehrgeizigen Ziel, Festivals nachhaltiger zu gestalten, darf der Spaß und das Erlebnis nicht auf der Strecke bleiben. Ohne WOW brauchen wir einem so erlebnisorientierten Umfeld nicht auftauchen.
Aber auch das geht ohne Verschwendung von Ressourcen. Unsere Aktivierungen bedienen sich überwiegend der Energie der Gäste, funktionieren komplett ohne Strom und halten nebenbei noch fit. Wir haben zum Beispiel ein umgebautes Bonanzarad, welches Seifenblasen produziert, Laufbänder, die Wind produzieren, Handkurbel-Ladestationen und und ganz viele kleine Aktionen, die die Energie der Gäste in besondere Erlebnisse umwandeln. Aber Strom haben wir natürlich auch! Jeder Gast kann sich seine Portion Ökostrom in Form von Powerbanks bei uns im Kraftwerk abholen. Geladen mit Windkraft auf den Festivals.
Wir können nach den ersten beiden Stopps schon deutlich erkennen, wie gut das Konzept angenommen wird, denn auch die meisten Festivalgäste sind äußerst interessiert daran, mit besserem Gewissen Festivals zu besuchen!“
Zwischenfazit nach 3 Festivals
Nach drei realisierten Festivals zieht das Projekt-Team ein gemischtes Zwischenfazit:
▪ Die Technologien für eine nachhaltige, mobile Stromversorgung existieren.
▪ Die entsprechende Hardware ist als Mietgerät kaum oder nicht verfügbar.
▪ Grüner Wasserstoff ist nahezu nicht verfügbar.
▪ Die Kosten einer nachhaltigen Stromversorgung liegen aktuell beim 5-10 Fachen von Diesel Generatoren.
Das Projekt ist verhältnismäßig klein und die größte Herausforderung liegt bei der Skalierung. Wie können Bühnen, Gastro und Co. versorgt werden?
Das Team sieht zentrale Alternativen aktuell eher im Wasserstoff und bei Feststrom-Anschlüssen als in Stromspeichern, die irgendwann leer sind.
Und Lösungen auf eigener Achse, wie sie für Haushalte bereits angedacht sind, scheinen auch für die Zukunft der Eventbranche durchaus sinnvoll zu sein. PKWs (V2L, V2H, V2G) oder perspektivisch auch LKWs, können problemlos an nahezu allen Tankstellen nachladen. Hier braucht es dann aber noch die Technologien für Starkstrom und erhöhte Speicherkapazitäten.
„Wenn neue Technologien für unsere und andere Branchen eine echte Alternative darstellen sollen, dann braucht es politische Unterstützung und Druck,“ unterstreicht Arne Heyen nochmals. „In Holland ist es zum Beispiel untersagt im Straßenbau mit Diesel-Stromerzeugern zu arbeiten.“
Praxisbericht & Recap vom Hurricane Festival 2023
Und wie genau läuft die Planung um Umsetzung vor Ort ab? Gab es Ausfälle oder Probleme? Ein Bericht des Projekt-Teams vom Hurricane Festival gibt Antworten und Einblicke:
Die größten Festivals der Tour sind das Hurricane in Scheeßel und das Deichbrand in Cuxhaven. Beide Festivals sind mehrtägig und gehören zu den größten Festivals Deutschlands.
Um das EWE Festival-Kraftwerk und die Gäste mehrere Tage – auch bei eventuellen Schattenperioden und Flauten – mit Strom versorgen zu können, haben wir in Scheeßel zusätzlich zu Smartflower (Solaranlage) und Mikro-Windkraftanlage mit einem großen Batteriespeicher gearbeitet.
Mit 422kwh nominaler Kapazität sollte der Speicher ausreichend Energie für drei Tage/Nächte Festival sowie den Auf- und Abbau bereitstellen. So zumindest der Plan. Aber der Start lief anders als erwartet: „Der Speicher hat einen Eigenverbrauch* von ca. 7kw für die Kühlung und wird es selbst ohne Verbraucher nicht bis Sonntag schaffen“, so der Ansprechpartner des Lieferanten. „Aber wir können nachts nachladen.“
Da wir unseren Speicher keinesfalls mit Diesel/Heizöl-Stromerzeugern laden wollten, wurde aus der geplanten Situation eines überdimensionierten Energiespeichers eine Zitterpartie.
„Wir haben den Speicher (und die Kühlung) nur dann laufen lassen, wenn wir auch wirklich Bedarf hatten, haben noch einmal deutlich den Verbrauch gesenkt und den Ladestand permanent überwacht. So hatten wir bis zum Abbau noch ausreichend Energie, aber vorgestellt hatten wir es uns anders.“ So Anne Edelweck, JOKE-Projektleiterin des EWE Festival-Kraftwerks.
Neben der Tatsache, dass die Kapazität von Batteriespeicherlösungen endlich ist und man sich bei drei Tagen Festival nicht auf Sonne oder Wind zur Eigenproduktion verlassen kann, war auch die Zuverlässigkeit des Speichers problematisch.
Wir hatten wegen Überhitzung der Klimaanlage einen Stromausfall von ca. einer Stunde, den wir glücklicherweise mit dem Speicher unserer Smartflower überbrücken konnten.
Wenn der Stand eines Sponsors für eine Stunde keinen Strom hat, ist das zwar ärgerlich, aber keine Katastrophe. Fällt die Mainstage aus, sieht das ganz anders aus.
Unser Fazit zum Batteriespeicher:
▪ Die Verfügbarkeit am Markt ist nicht gewährleistet. Viele werben damit, wenige können liefern.
▪ Die Kosten liegen bei einem Vielfachen von Diesel-Stromerzeugern.
▪ Energiebedarf und der eventuelle Eigenverbrauch des Speichers müssen exakt und mit ausreichend Luft kalkuliert werden. Die Energie ist endlich.
▪ Das Risiko von Stromausfällen besteht.
▪ Gerade beim ersten Einsatz braucht der Speicher eine begleitende Fachkraft – es ist kein selbsterklärendes, einfach bedienbares Modul.
▪ Das Gerät ist vergleichsweise leise, produziert keine Abgase und erfüllt grundsätzlich seinen Zweck.
Wir freuen uns auf die Erfahrungen mit dem Wasserstoff-Stromerzeuger auf dem Deichbrand Festival. Infos folgen!
*Der Eigenverbrauch lag dann in der Realität bei ca. 2,5kw und nicht wie befürchtet bei 7kw.
Quelle: Pressemeldung der Joke Event AG
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