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Innovation braucht mehr als kreative Mitarbeiter und Ideen

Von Katharina Stein 27.10.2015 ~5 Minuten Lesezeit

Innovationen sind heute in allen Branchen wichtig und gefragt. Zahlreiche Firmen und Agenturen streben nach neuen Ideen und einem fortschrittlichem Image. Begriffe wie innovativ und kreativ sind so zu inflationären Floskeln geworden. Doch was macht echte Innovation eigentlich aus? Hängt sie tatsächlich allein von kreativen Mitarbeitern ab, wie es häufig angenommen wird? Und mit welchen Prozessen kann man Innovationen entwickeln und fördern? Frau Agnes Schipanski, Professorin für Medienwirtschaft an der SRH Hochschule der populären Künste (hdpk) in Berlin, lehrt u.a. Innovationsmanagement und gibt uns einen Einblick in die Hintergründe und Methoden.

Interview mit Agnes Schipanski über Merkmale und Prozesse von Innovation: Teil 1

 

Innovativ ist heute ja nahezu jeder – zumindest laut Firmenbeschreibungen vieler Websites. Was kennzeichnet ein wirklich innovatives Unternehmen Ihrer Meinung nach?

Agnes Schipanski: Viele verbinden mit dem Begriff Innovation „Neuerung“ oder „Erneuerung“, was wiederum mit neuen Ideen oder Erfindungen (Invention) in Zusammenhang gebracht wird.

Doch eine Idee ist nicht gleich eine Innovation! Die Idee ist die Grundlage jeder Innovation. Aber ohne Anwendung und Umsetzung bleibt sie weitgehend wertlos. Das heißt, die Idee wird erst zur Innovation, wenn sie in eine nützliche und auch genutzte Leistung umgewandelt wird und mit ihr eine Gewinnerzielung möglich ist. Innovationen sind demzufolge die Umsetzung einer Idee (Invention) in eine marktreife Lösung – ein marktfähiges neues Produkt, ein implementierter neuer Prozess bis hin zur neuen Systemlösung.

Um den Bogen zu Ihrer Frage zu spannen: Unternehmen dürften sich erst dann als innovativ bezeichnen, wenn sie marktfähige neue Produkte oder Methoden entwickeln, die tatsächlich am Markt zum Einsatz kommen.

Haben sich in den letzten Jahren Anforderungen, Merkmale oder das Verständnis von Innovation verändert?

Agnes Schipanski: Ja. Sehr maßgeblich!
Wurden früher ausschließlich in einer Forschungs & Entwicklungs (F&E) Abteilung Innovationen generiert (Closed Innovation), so zeigt sich in der jüngsten Vergangenheit ein Trend hin zur Öffnung des Prozesses („Open Innovation“). Open Innovation umfasst Innovationsprozesse, die nicht an den Grenzen von Unternehmen oder deren Innovationsabteilungen enden, sondern externe Akteure (Kunden, Interessenten usw.) als Ideengeber, Konzeptentwickler oder auch Innovationsumsetzer in die Gestaltung von Innovationen einbinden. Das Konzept zielt auf die aktive, strategische Nutzung der Außenwelt zur Vergrößerung des eigenen Innovationspotentials ab.

Woher kommt diese Entwicklung?

Agnes-SchipanskiAgnes Schipanski: Ganz klar ist sie das Ergebnis steigenden Wettbewerbsdrucks, immer kürzeren Produktzyklen sowie der Dynamisierung der Gesellschaft insgesamt.
Dabei umfasst „Open Innovation“ nicht nur Produktinnovationen, sondern ebenso Prozess-, Organisations- und Serviceinnovationen. Letztere bezeichnet einerseits den Prozess, andererseits das Ergebnis der Suche neuer Dienstleistungsideen. Dienstleistung (=Service) ist in Verbindung mit Produkten nicht mehr nur eine „Zusatzleistung“, sondern oft der eigentliche Kern, der dem Produkt seinen wahrgenommenen Wert verleiht. Es entstehen ganze Erlebnis- und Interaktions-Welten. Diese Integration von Produkt und Dienstleistung in innovative Lösungsangebote wird als „Hybride Wertschöpfung“ bezeichnet.

Innovation wird heute häufig in Zusammenhang mit innovativen und kreativen Menschen gesetzt. Mitarbeiter mit innovativen Ideen = Innovatives Unternehmen. Geht diese simple Rechnung auf? Oder hängt Innovation von ganz anderen Aspekten ab?

Agnes Schipanski: Die einfache Rechnung Mitarbeiter mit innovativen Ideen = innovatives Unternehmen geht so nicht auf. Warum?

Erstens: weil eine Idee ja nicht gleich eine Innovation ist. Die Idee ist die Grundlage jeder Innovation. Das heißt, die Idee wird zur Innovation, wenn sie in eine nützliche und auch genutzte Leistung umgewandelt wird. Zweitens: weil die Innovationsfähigkeit von Unternehmen, im Sinne des „Open Innovation“ Ansatzes, nicht nur von deren Mitarbeitern/innen abhängt.

Soll ein Open Innovation Ansatz im Unternehmen umgesetzt werden, so bedarf dies nach Möslein/Neyer (2009) stets der Einbindung drei zentraler Innovatorengruppen. Erstens sind dies die Kerninnovatoren im Unternehmen, das sind normalerweise die F&E-Abteilung. Zweitens bedarf es externer Innovatoren, Nutzer, Vordenker, Tüftler, Kunden, Lieferanten und Wertschöpfungspartner, die von außerhalb des Unternehmens über die Unternehmensgrenzen hinweg eingebunden werden. Und drittens sind es die Mitarbeiter, die sogenannten peripheren Innovatoren, die sich aus Begeisterung am Innovationsgeschehen beteiligen, obwohl ihre Kernaufgaben in ganz anderen Funktionsbereichen liegen.

Das heißt, um heutzutage von einem innovativen Unternehmen zu sprechen, bedarf es immer auch externen Input von Wissen und Ideen.

Kann man auch mit vermeintlich nicht ganz so innovativen Mitarbeitern Innovationen entwickeln?

Agnes Schipanski: Ja. Und zwar auf zwei Wegen.

Erstens kann man Mitarbeitern/innen Kreativität vermitteln, welche die Voraussetzung für Innovationen ist. Kreativität wird als eine Kompetenz betrachtet die es ermöglicht, nützliche Ideen in jedem Bereich des Unternehmens zu entwickeln. Hier können die Potentiale der Kreativwirtschaft genutzt werden und mit Hilfe von Kreativworkshops und Trainings Denkprozesse und Methoden den Mitarbeiter/innen vermittelt werden. Meine Hochschule bietet solche Workshops an.

Und zweitens müssen Unternehmen die Ideen und kreativen Prozesse im Unternehmen unterstützen und fördern. Dies bedingt eine Innovationskultur, die in Anlehnung an Piller/Reichwald (2006) durch folgende Instrumente gekennzeichnet sein kann:

– Die Lead-User-Methode: sie versucht über verschiedene Kanäle und Medien, innovative Nutzer zu identifizieren und in Innovationsworkshops einzubeziehen.
– Tool-Kits: sind z.B. via Internet bereitgestellte Programmierbausteine und Methodensammlungen. Sie sollen Mitarbeiter/innen unterstützen, ihre Bedürfnisse selbständig zu formulieren und in Produkt- oder Prozesslösungen zu überführen.
– Innovationswettbewerbe, um externen Innovationsinput zu gewinnen.
– Online-Communities fördern die Generierung neuer Ideen in virtuellen Gemeinschaften. Neben der eigentlichen Community-Plattform gehören dazu auch Gremien und Prozesse, die eine effiziente Selektion und Evaluierung tatsächlich marktfähiger Innovationsideen gewährleisten.


Im » zweiten Teil unseres Gesprächs mit Prof. Schipanski erfährst Du, wie sich Hürden bei der Einführung von Innovation auflösen lassen und wo im Unternehmen das Thema aufgehängt werden sollte.

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